Freitag, 22. Juni 2018
"Hast du dich schon beworben?"
Das ist eine rhetorische Frage, wann immer mein aktueller Arbeitsvertrag ausläuft. Ja, natürlich habe ich mich beworben, muss mal schauen, ob was zurückkommt...
...ist der Standardsatz, den ich Kollegen entgegenklatsche, die mich nicht kennen. Ich habe gelernt, dass manche Menschen genau das hören wollen.
Wer mich kennt, ahnt, dass ich es noch nicht gemacht habe. Nix da. Keine Bewerbungen, keine Anfragen, gar nichts, und somit möchte ich ein kurzes Gespräch aus dem Arbeitszimmer der Schule wiedergeben, das tatsächlich unlängst so stattgefunden hat. Teilnehmer sind Dr Hilarius (H) und eine unglaublich freundliche, aufgeschlossene Kollegin (K).
K: "Und, hast du dich schon beworben?"
H: "Wenn du so fragst - nein, habe ich nicht."
K: "Äh... warum denn nicht?"
H: "Hmmm... das kann ich dir gar nicht so einfach sagen."
K: "Und wo gehst du dann im Sommer hin?"
H: "In die Arbeitslosigkeit."
K: "Ja, aber das wird doch jetzt Zeit, ich hab' dir doch die Schule meiner Freundin empfohlen, warum hast du da nicht nachgefragt?"
H: "Weil es im Moment in meinem Gehirn tatsächlich Dinge gibt, die mir wichtiger sind, an die denke ich, und manchmal verliere ich Anderes dabei aus dem Blick."
K: "Wie jetzt, eine Arbeit und das Geld sind dir also egal?"
H: "Nein. Es ist nur so, dass mein Job nicht meine Top-Priorität im Leben ist."
Und da war es dann wieder, das verständnislose Gesicht meines Gegenübers. Die Frage, die mich tatsächlich in's Mark getroffen hat, war "Äh... warum denn nicht?" - denn auf der Suche nach der Antwort musste ich mir die Frage selbst stellen. Mich vor meinen inneren Spiegel stellen und fragen:
"Worauf wartest du? Sollen die Angebote von ganz allein kommen? Wie weit willst du es noch hinausschieben? Kannst du dir nicht endlich wieder Notizzettel machen mit den Dingen, die wirklich wichtig sind???"
N E I N
Und genau an der Stelle wird für mich eben doch wieder fühlbar, wie mich die Hochbegabung behindert. Ich stürze mich geistig auf alles, was mich interessiert, mit voller Inbrunst, auf verhaltensauffällige Schüler, Elterngespräche, Verabschiedungstexte, die ich auswendig lernen muss, bin mit Feuer und Flamme dabei - und vernachlässige dabei quasi meine eigene Lebenssicherung.
Das muss total bescheuert klingen.
Ich bewundere meine hochbegabte Kollegin mit Mann und vier Kindern, die alles wuppt und ihr Gehirn voll unter Kontrolle hat. Da läuft alles so, wie es soll, und so geht es vielen Hochbegabten. Ich bewundere sie alle.
Und stehe mir derweil weiter im Weg.
post scriptum: Heute habe ich dann endlich meine Bewerbungsunterlagen aktualisiert (auf einen Wink der Sannitanic hin), ging ja vorher nicht, weil mein Notebook und mein Drucker kaputt waren - Reparatur? Ist grad nicht so wichtig! - und ich werde mal versuchen, mich gedanklich von der KGS zu lösen. Wird Zeit. Ich bin viel zu tief hineingerutscht.
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