Dienstag, 26. Juni 2018

Kollegenkind

Bloß nicht... (NIEHCHT sagt die fette Schnecke)

Meine Mutter war Grundschullehrerin mit Leib und Seele, und wenn man in einem kleinen Dorf aufwächst und nicht so viele Grundschulen im näheren Umkreis sind, dann kann es durchaus vorkommen, dass man als kleiner Steppke auf die Schule seiner Mutter geht. So war es also auch bei mir, und naiv, wie ich nun mal war (und bin), habe ich mich gewundert, was für ein Zufall es doch ist, dass ich nie bei meiner Mama Unterricht hatte. Von den Implikationen hatte ich damals doch keinen Schimmer.

Mittlerweile bin ich einen Schritt weiter, und hätte ich selbst Kinder, würde ich auch darum kämpfen, nicht in ihren Klassen zu unterrichten. Was sich allerdings nicht vermeiden lässt, ist, dass man die Kinder eines Kollegen unterrichtet, und das kann sich auf das eigene Erleben des Unterrichts auswirken. Ich habe das damals an meiner ersten Schule erlebt, in der ich die Tochter eines Kollegen in Latein hatte. In den ersten Wochen war mir das überhaupt nicht bewusst, weil ich immer nur die Vornamen im Kopf habe - erst mit den ersten richtigen Notengesprächen ist mir das bewusst geworden.

Und das muss ja auch gar nichts Schlimmes bedeuten, erst recht nicht, wenn das Kind ein guter, vorbildlicher Schüler ist - oder wenn man sich zumindest über die Benotung einig werden kann, wenn ein Verständnis erzeugt wird und das nicht unter Umständen eine private Freundschaft belastet. Eigentlich geht das gut.

Und Du arbeitest ja auch an der Transparenz Deiner Noten: Du teilst zweimal pro Halbjahr die mündlichen Noten mit, dokumentierst sie genauso wie die Klärung der Bewertungsgrundlagen im Kursbuch. Wenn ein Schüler stark abzurutschen droht, suchst Du natürlich das Elterngespräch - mit Deinem Kollegen genau wie mit jedem anderen Elternteil, wo das zutrifft, und natürlich mit der Klassenleitung. Deine Klausuren sind nachvollziehbar und konform mit den Fachanforderungen, und wenn es nötig ist, hast Du sie Dir von Deiner Schulleitung genehmigen lassen. Du hältst Deine Schülerin kontinuierlich über ihren Leistungsstand auf dem Laufenden, und dann gibt es auch keine Probleme.

Eigentlich.

Aber was, wenn Dein Kollege der Meinung ist, dass seine Tochter eine andere Note verdient hat? Trotz jeglicher belastbaren, anderslautenden Bewertunsgrundlage? Was, wenn er da auch nicht mehr mit sich reden lässt? Und Du nicht nachvollziehen kannst, weshalb Du nur wegen des elterlichen Unmuts die Note hochziehen solltest? Was machst Du dann? Was mache ich dann, wie soll ich mich verhalten?

Zum Glück ist es noch nie zu dieser Situation gekommen, weil ich wirklich nicht wüsste, wie ich damit umgehen soll. Aber das ist einer der Gründe, warum ich es manchmal heikel finde, Kollegenkinder zu unterrichten: Ich fühle mich wieder wie auf dem Prüfungsstuhl, jede Unterrichtseinheit wird kontrolliert, jede Klassenarbeit wird dreimal nachkorrigiert und das Vertrauen in meine fachliche Beurteilungskompetenz ist gleich null.

Zeit für Professionalität - auf beiden Seiten.

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