Prüfungszwirn - zumindest im Ansatz - an einem Tag, der mir in Erinnerung geblieben ist. |
Noch nicht wieder vollkommen fit. Auch wenn das Wetter perfekt ist und der Tag eine kaum steigerbare Hintergrundkulisse für einen Parkbesuch gewesen wäre, mein Kreislauf hätte vermutlich irgendwann abgeschaltet; ich bin also zuhause geblieben. Aber auch in Ordnung - denn der Tagesverlauf hat mich an eine kleine Geschichte erinnert.
Es war der Sommer Zweitausendelf...
...und es war richtig heiß. Trotzdem hatte ich ausschließlich schwarze Kleidung an, die die Sonnenstrahlen natürlich in zusätzliche Wärme für den Körper umgewandelt hat. Aber schwarz musste es sein, mit einem Hauch von Eleganz, es war nämlich der Tag meiner mündlichen Examensprüfung in Pädagogik. Bei Prof. Dr. Heidrun Allert. Eine Dozentin, bei der ich keine einzige Lehrveranstaltung besucht hatte, aber ich brauchte irgendjemanden, der mein Examen in Pädagogik abnehmen konnte.
Natürlich hätte ich mich auf sie vorbereiten können. Schauen, wo ihre Schwerpunkte liegen, einen Kurs bei ihr besuchen, vielleicht in ihr Kolloquium gehen. Aber nein, der Hochbegabte denkt natürlich wieder, dass er auch das ganz allein schaffen muss. Also stelle ich mich my way auf die Prüfungsthemen Soziale Netzwerke und Humanistische Pädagogik ein. Letzteres Thema mit Schwerpunkt Transaktionsanalyse. Da wusste ich noch nicht, dass ich Pädagogik toll finde, und da wusste ich auch noch nicht, dass ich instinktiv nach der humanistischen Pädagogik handele. Und so saßen wir dann zu dritt dort, Frau Allert, der Beisitzer aus dem Ministerium und Dr Hilarius, der versucht, so zu wirken, als verstünde er etwas von Pädagogik.
Eigentlich geht es mir heute gar nicht um die Prüfung. Es geht mir um die Bewertung, genauer: Um eine Formulierung, die ich seit Jahren nicht aus dem Kopf bekomme. Nach dreißig Minuten Prüfung habe ich etwa fünfzehn Minuten gewartet, bis das Ergebnis feststand, und dann sagt mir der Herr aus dem Ministerium: "Dr Hilarius, über die Bewertung der Prüfung waren wir uns eigentlich sofort einig. Wir haben uns vielmehr gefragt, warum sie nicht im Fernsehen arbeiten."
Das hat mir die Wahrnehmung meines mündlichen Examens gerettet, aber vor allem war es eine Rückmeldung, die ich schon so oft bekommen habe. Auch meine damalige Schulleiterin, die mir im Ref-Gutachten Unwahrheiten in den ersten Entwurf des Gutachtens geschrieben hat, schrieb über meine schauspielerische Ader. Das schien wohl keine Unwahrheit zu sein.
Und tatsächlich denke ich oft darüber nach, sehr oft. Wie mein Leben wohl wäre, wenn ich zum Film ginge. Ob ich überhaupt eine Chance hätte. Ob ich vielleicht die Rampensau in mir hemmungslos rauslassen könnte. Und da hilft es auch nicht gerade, dass die Jobsituation für Lehrer eher mittelmäßig ist und ich nicht gerade ein attraktiver Bewerber an Schulen bin. Immer wieder habe ich Momente, in denen ich mich frage, warum ich es nicht einfach versucht habe. Warum ich es nicht einfach versuche. Ob das die richtige Sparte für mich wäre?
Aber beim Meditieren kommen so viele Gedanken, die dagegen sprechen. Ich hätte Angst, die Sannitanic und die große Buba zu verlieren. Ich hätte Angst, nicht mehr mein Leben selbst in der Hand zu haben. Ich hätte Angst, dass viel mehr Menschen bestimmte Erwartungen an mich setzen würden als jetzt; Erwartungen, die ich enttäuschen könnte - eine Angst, die es mir nicht leicht macht, das Leben zu genießen.
Die große Buba hatte mir vor einigen Monaten, als ich ihr mal wieder von meinem Faible für Stummfilme vorgeschwärmt habe, den recht neuen Film The Artist (2011) empfohlen. Habe ich mir aufgeschrieben, aber natürlich wieder ewig gewartet bis zur Umsetzung des Tipps. Heute war es dann soweit und ich freue mich, dass ich einen tollen Stummfilm über Stummfilme genießen durfte. Und ich musste mich wieder an die Pädagogikprüfung erinnern und an diese Frage, die ich im Studium wieder und wieder gehört habe.
"Warum sind sie nicht Schauspieler geworden?"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen