Montag, 17. April 2017

"Irgendwie spüre ich nichts..."

Clickbait! Oder... geht es hier etwa wirklich um...?

Disclaimer: In diesem Beitrag dichte ich ein bisschen zur Realität hinzu und nehme ein paar Sachen weg, bin also ein sehr unzuverlässiger Erzähler. Das macht aber nichts, weil es mir um das Prinzip geht, und um das zu verdeutlichen, sind mir diverse Mittel und Wege recht. Tatsache ist, dass ich kein Cannabis in der Wohnung habe und daran auch so schnell nichts ändern werde - einfach weil das THC mich kaum reizt.

Vor einer ganzen Weile hatten Er und ich mal Lust, zu kiffen, und es war aus heiterem Himmel Gras da und eine selbstgebastelte Bong, wir hatten gute Laune und damals auch noch niemanden, der zwischen uns stand. Und dann haben wir uns gesagt, okay, das probieren wir mal aus. Wir hatten schon andere Sachen ausprobiert und waren neugierig - wie das nun mal so ist. Und nach ein bisschen Rumgehuste haben wir dann auch was gemerkt und wollten plötzlich einfach nur noch irgendwo herumliegen. Und auch, wenn wir uns nicht unterhalten hätten und uns gegenseitig immer wieder auf den neuesten Geisteszustand angesprochen hätten, hätte jeder sehen können, dass wir ziemlich gut verklatscht waren. Er konnte das sowieso nie verbergen, seine Augen sprachen Bände.

Der aufmerksame Leser mag sich nun verwundert fragen, worauf der Doktor hinauswill - hat er doch im Titel von Nichts-Spüren geschrieben. Richtig. Ich wollte einmal schildern, wie es ist, wenn ich weiß, dass der Andere unter Einfluss steht. Denn man kann das nicht immer sehen, manchmal sehen die Menschen ganz normal aus, verhalten sich auch ganz normal. Wie kann ich dann herausfinden, ob mein Gegenüber irgendeine Wirkung hat? Da muss ich mich wohl auf das verlassen, was er mir berichtet - wie es sich für ihn anfühlt. Und jetzt wird's sexy:

Stellt Euch einmal vor, Er würde mir erzählt haben, dass Er eine ganz tolle, unglaublich entspannende Wirkung spürt, wow, ich bin grad echt geflashed und so ein blabla. Und stellt Euch einmal vor, Er würde das nur getan haben, damit ich nicht enttäuscht bin - weil Er in Wahrheit nämlich gar nichts gespürt haben würde? Warum würde Er mir so einen BS erzählt haben?

Die Damen ahnen natürlich schon längst, worum es geht, denn manch' eine von ihnen wird in ihrem Leben den einen oder anderen Orgasmus beim Sex vorgetäuscht haben, um dem Herrn, der sich da so bemüht versucht hat, nicht zu enttäuschen. Und das funktioniert ja auch, denn der Herr kann nicht in ihren Kopf hineinschauen, und selbstbewusst, wie er nun mal ist, freut er sich, dass er die Dame erwartungsgemäß hat zufriedenstellen können.

Sehen wir die Parallelen? Sex und Drogen sind ja ohnehin ein sehr beliebter literarischer Topos, also nichts Unerwartetes hier. Nur, dass Er und ich nicht die Sex-Version des Ganzen würden gehabt haben - nach wie vor befinden wir uns in einem Gedankenspiel. Er würde ja auch einfach gesagt haben können: "Irgendwie spüre ich nichts..." - würde sich aber dennoch dazu genötigt gesehen haben, BS zu erzählen. Welche Schlüsse soll ich aus einer solchen Vortäuschung ziehen?

Warum kann Er nicht einfach mal sagen, was Sache ist? Warum diese Zwänge, seine Mitmenschen unbedingt glücklich zu machen - würde ich mich gefragt haben. Vor allem weiß ich noch, wie oft Er und ich darüber geredet haben, wie wichtig es mir ist, dass mein Gegenüber sich authentisch verhält, dass Er sich nicht verstellt, denn mit solch' einem Verhalten weiß ich nicht umzugehen. Wir haben das so oft besprochen. Wir haben so oft geklärt, dass Er bei mir, in meiner Wohnung, wo niemand sonst etwas mitbekommt, ganz Er selbst sein kann. Er selbst hat mir von diesem Effekt erzählt. Etwa auch nur, weil Er meinte, dass ich das hören wollte?

Ob sich das mit dem Alter ändert? Wenn man neunundzwanzig wird? Ich weiß, dass sich jetzt noch nichts geändert hat. Noch immer erzählt Er mir BS, wenn es seiner Meinung nach nötig ist, um mich zufriedenzustellen. Er hat eine hochbegabte Freundin und ein hochbegabtes Etwas eine Straße weiter. Warum glaubt Er, sie hinter's Licht führen zu können? Zu müssen?

So ist Er nun mal. Daran ist nichts Schlimmes, daran ist nichts böse Gemeintes. Sollte ich ihn als Teil meines Lebens betrachten wollen, habe ich das zu akzeptieren. Ich lerne. Ob sie das ähnlich sieht?

Vielleicht sind vorgetäuschte Vergnügungen einfach Teil unseres Lebens, Teil unserer Funktionen als Impulsgeber und Antwortmaschine. Dabei wäre es doch so einfach, das zu sagen...

"...irgendwie spüre ich nichts." - "Das ist vollkommen okay."

Lächeln.



post scriptum: Ich sollte selbstkritischer sein und oben einen Satz hinzugefügt haben müssen - "Warum glaubt Er, sie hinter's Licht führen zu können? Zu müssen? Warum lösen wir das in ihm aus?"



vivat tempora convoluta!

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