Dienstag, 18. April 2017

Die Macht der großen Buba

Nehmt Euch in Acht - vor der Große-Buba-Macht!

Ich bin ein ganz normaler Erwachsener, fast. Ich kann ernst bleiben, ich kann mich wie ein ernsthafter, normaler, heterosexueller Mann benehmen. An meiner jetzigen Schule hat mich noch keiner meiner Schüler gefragt, ob ich schwul bin, und ich werde ernst genommen. Dieser Habitus war nicht immer so - in meinem Studium hatte das Verhalten eine ganz andere Wendung genommen, als ich nämlich aus der Wohnung meiner Eltern raus war und mich benehmen konnte, wie ich wollte. Und Conny, meine Mitbewohnerin, würde keinen ihrer Mitmenschen aufgrund ihres Verhaltens herablassend behandelt haben, für sie war ich immer okay.

Und dann war es einmal im Oktober Zweitausendundsechs, in der Leibnistraße vier, Raum fünfundsiebzig/siebenundsiebzig. Ein grauenhafter Seminarraum, viel zu sehr nach hinten in die Länge gezogen, so dass die Studenten wunderbar vor ihrem Dozenten vorn an der Tafel fliehen konnten. In jenem Wintersemester war ich einmal "Dozent", ich habe ein Tutorium zum Grundkurs Lateinische Grammatik gegeben. Da saßen interessante Menschen drin, eigentlich recht normal. So wie ich, wenn man mal von dem Kajal, Lidschatten, Hundehalsband und dazugehöriger Kette abgesehen hat. Aber das waren ja nur Äußerlichkeiten.

Eine Oberfläche, die die große Buba natürlich sofort durchschaut hat. Sie war damals noch nicht die große Buba, sondern eine heterosexuelle Lateinstudentin. Das hat sich geändert; nicht geändert hat sich ihr Blick in ihre Mitmenschen hinein. Angeblich habe sie über meinem Kopf eine neonpinke Leuchtschrift gesehen - Megaschwuchtel. Ich glaube ihr das ja nach wie vor nicht, so heteronormativ, wie ich in den Raum gekommen bin.

Mit drei Teilnehmern des Tutoriums habe ich mich nach dem Abschlusstest, ein paar Monate später, zum netten Beisammensein getroffen, und da war es dann um uns geschehen. Vor elf Jahren wurden wir zur GDB und DGB. Und Die große Buba hat ihren Namen nicht von ungefähr, und das hat nichts damit zu tun, wenn sie anfängt, herumzupoltern, sondern mit der Wirkung, die sie auf mich ausübt; kaum zu glauben, aber so habe ich angefangen, mich vielleicht eventuell mal andeutungsweise ein kleines bisschen schwul zu benehmen, ein wenig vorsichtig herumgetuckt, sozusagen, denn das war genau das, was die große Buba brauchte, ihre persönliche kleine Schwuppe für den Trophäenschrank.

Das ist an sich nichts Ungewöhnliches - welche junge Frau hat sich nicht schon einmal einen schwulen Freund gewünscht, mit dem sie über Alles reden kann, ohne dass sie Angst haben muss, er könnte etwas von ihr wollen. Ja, leider sind die Heten so, die wollen immer was von den Frauen. Sie sind damit nicht allein, denn die Schwulen wollen ja auch immer was von den Männern, egal welche sexuelle Orientierung die sich gerade zugelegt haben. Mit dem schwulen Freund kann man shoppen gehen, denn alle Schwulen lieben es ja, Klamotten einzukaufen. Und sie kann mit ihm über ihre Tage reden, denn alle Schwulen finden das faszinierend und überhaupt nicht eklig. Und sie kann mit ihm über Männer lästern, die sie verletzt haben, denn alle Schwulen personifizieren die pure Empathie. Ich kotz' gleich.

Das klingt so negativ, nein, ist natürlich alles mit einer Dosis Humor zu goutieren. Nehmen wir also aus den vorhergehenden Paragraphen mit: Die große Buba und ich, wir benehmen uns in Gesellschaft anderer Menschen - wenn wir nicht zusammen sind - wie ernsthafte Erwachsene, vielleicht mit einem Sprung in der Schüssel, aber wenn wir zusammen sind, ist der Porzellanschrank dem Erdboden gleichgemacht. Dann wird geklötert, gekrischen, gespült, auf die Nerven gegangen. Nicht uns selbst, aber unseren Mitmenschen, da kommen dann gerne mal Kommentare, "Also zwischendurch war das ja ein bisschen nervig" - und ich weiß gar nicht, was gemeint sein könnte! Dass ich mit einem Mal drei Oktaven höher spreche? Dass in meiner Sprache jedes L durch ein W getauscht wird? Dass per nasalem Tuckentonfall jedes N zu D zu TH und jedes M zu einem B wird? Dass wir nichts mehr ernstnehmen können, egal ob gerade die Welt untergeht oder wir einen Horrorfilm schauen? Dass wir "tot gehen" und dabei "woouuuhhmmmbähbäh" brüllen? Dass wir meine Nachbarn unerbittlich durch unsere Dezibelzahl in den Wahnsinn treiben? Das werden sie schon aushalten, denn das passiert nur, wenn die große Buba da ist. Ich warte immer noch darauf, dass wir bei Edeka und Sky Ladenverbot bekommen.

Denn eigentlich bin ich ein ernsthafter, heteronormativ angepasster Erwachsener.

post scriptum: Jetzt lacht sie gerade und glaubt es "thöäarchtöäh". Ni wi wi a a a!

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