Samstag, 4. Februar 2017

Das Yang


Dieser Eintrag liefert eigentlich nichts Neues, beschäftigt sich mit Liebe und Modeschmuck und dem Konzept ideeller Wert, insofern darf der häufigere Leser dieses Blogs das alles getrost ignorieren. Das Thema erinnert mich an eine Anekdote aus St.Peter-Ording und ich möchte sie hier noch einmal ausrollen.

Im Rahmen meiner Identitätssuche und Imagefrage habe ich im Studium diverse Outfits durchprobiert, diverses Make-Up und diversen Schmuck. Ich habe dann festgestellt, dass Schmuck eigentlich so gar nicht Meins ist, er ist mir zu lästig, ich vergesse eh' immer wieder, ihn anzulegen. Ein Schmuckstück (die Buba klospült gerade, weil sie Spuckstück gesagt hat) trage ich allerdings seit zwei Jahren immer, wenn ich aus dem Haus gehe. Ist es so wertvoll? Habe ich mein verdientes Geld etwa in Juwelen angelegt?

Nun, da der Anhänger in seiner ursprünglichen Form gerade mal fünfundzwanzig Euro gekostet hat, kann es das wohl kaum sein. Man rechne nochmals zehn Euro für das Halsband dazu und landet bei recht günstigem Modeschmuck. Der materielle Wert ist es also nicht, der mich motiviert, den Anhänger zu tragen. Aber was genau ist es dann? Was ist es, das ich - übertragen gesprochen - da immer mit mir herumtrage?

Nicht übertragen gesprochen ist es die eine Hälfte des Yin & Yang-Symbols. Bisher hat mich ein einziger Mensch darauf angesprochen. Einer hat es durchschaut und mich nach der Bedeutung gefragt. Meine engen Freunde natürlich nicht, die kennen mich und wissen die Antwort eh'. Es war ausgerechnet eine Schülerin: "Dr Hilarius, wer hat denn eigentlich die andere Hälfte ihres Yin & Yang-Anhängers?" fragt sie mich - eine Fünftklässlerin des Gemeinschaftsschulteils der Nordseeschule in St.Peter-Ording. Ausgerechnet!

Es hat mich zutiefst beeindruckt, denn es war gerade mal die zweite Woche, die ich in einer neuen Klasse unterrichtet hatte. Ich selbst habe den Anhänger überhaupt nicht thematisiert; am Ende der dritten gemeinsamen Stunde kam genannte Schülerin zu mir und stellte mir die besagte Frage. Natürlich kann es einfach eine Schleimerei einer fleißigen Schülerin gewesen sein, die nach der ersten Stunde bei dem neuen Lehrer gleich im Internet diesen Anhänger gesucht hat. Aber da ich immer erstmal von der positiveren Variante ausgehe, nämlich, dass sie das Symbol schon vorher kannte, habe ich mich über die Frage sehr gefreut.

Vorhin erwähnte ich den Anhänger in seiner ursprünglichen Form, denn heute trage ich nur noch das Yang. Nicht etwa, weil ich das Yin verloren hätte; dann würde ich den Schmuck überhaupt nicht mehr anlegen. Denn die beiden Teile gehören eigentlich untrennbar zusammen, wie man auch in der Wikipedia nachlesen kann. Die Schülerin hat ganz folgerichtig darauf geschlossen, dass ich die andere Hälfte einem anderen Menschen gegeben hatte, denn meiner Meinung nach gehören wir auch eigentlich untrennbar zusammen (übrigens sagte Er das einst auch).

Ich habe mir das sehr lange überlegt, warum ich ihm diesen Anhänger mitgeben wollte. Ein ganz oberflächlicher Gedanke war "Hoffentlich trägt er den einmal, wenn er irgendwo ist, damit alle sehen, dass er zu mir steht". Also der Wunsch nach Selbstbestätigung, wohl wissend, dass er das nicht tun würde - und damit habe ich mir wieder eine schöne Bühne aufgebaut, um den sterbenden Schwan zu spielen.

Egal, denn das war nur ein kurzlebiger Gedanke. Aber immerhin Auslöser. Das ist bei mir oft so, dass die Auslöser für tiefgründige Entwicklungen eigentlich Banalitäten sind. Der geneigte Leser will gar nicht wissen, was die ganze Flo und Tobi-Geschichte ausgelöst hat (oh hoppala...). Ich schweife ab, ich merke, ich bin in einem sehr breiten Bewusstseinsstrom. Cut. Ich muss mich sortieren.

Der Anhänger wirkt, und er wirkt von Tag zu Tag mehr. Ich trage da keinen Zwanzig-Euro-Modeschmuck (Bodeschpuck, die Buba platzt). Ich trage zwei Dinge. Zum einen das Konzept Yin & Yang, zum anderen eine tiefe Zufriedenheit. Zufrieden, dass ich etwas bewirkt habe. Ich erwähne in diesem Blog immer wieder, wie glücklich mich das macht. Dazu brauche ich kein Geld.

Ich habe bewirkt, dass Er sein heteronormatives Weltbild aufbricht, indem Er mehr für mich empfindet als "bloß Kumpels". Ich habe bewirkt, dass Er auch einen Mann lieben (scheiß Wort, es passt einfach nicht!) kann. Ich habe bewirkt, dass Er sein elterlich erschaffenes Weltbild in Frage stellt. Seine Mutter hatte immer Recht, sie hatte gute Ratschläge, sie ist eine weise Frau - aber dieses eine Mal. Ihre Einschätzung bezüglich Dr Hilarius. Dass er Ihm nicht gut tue, kein Umgang sei, *weg* gehöre. "Ich wünsche mir so sehr, dass sie dieses eine Mal falsch liegt", sagte Er. Das habe ich bewirkt.

Und dieses Gefühl trage ich mit mir, symbolisiert durch einen billigen Modeschmuck-Anhänger. Ich glaube, es ist das erste Mal in meinem Leben, dass etwas für mich ideellen Wert hat. Alles Andere kann weggeworfen werden, verloren gehen; ich trage unsere Lebensgemeinschaft mit mir herum.

Und Er?

post scriptum: Steckt Euch die Groß- und Kleinschreibung sonstwohin ;-) Und: Ich lasse das jetzt mal ein paar Tage im Rahmen einer kreativen Schreibpause so stehen. Keine Sorge: Der nächste Artikel ist schon so gut wie fertig!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen