Na, wo mag das wohl sein... |
Ich habe einen Baum gepflanzt.
In meinem Garten ist genügend Platz und ich habe mich dafür entschieden, dass ich diesen Platz nutzen möchte, um einen großen, starken Baum aufzuziehen. Ein Baum, der mir im Sommer Schatten spendet, ein Baum, der im Winter dem schlechten Wetter trotzt. Ein Baum, dem keine äußeren Bedrohungen etwas anhaben können - und ich weiß, dass es lange dauern wird, so einen Baum großzuziehen.
An diesem Platz war vorher auch ein Baum. Allerdings ging es ihm nicht gut, immer wieder kam Ungeziefer, immer wieder kamen Biber, um den Stamm anzunagen, immer wieder versuchten Diebe, den Baum mit ihren Kettensägen zu fällen. Am schlimmsten war allerdings eine Krankheit, eine Art Rotfäule, die er mit den Wurzeln aufgenommen hatte, und die durch seinen Stamm, durch seine Äste und Blätter kreiste und drohte, ihn von innen heraus krank zu machen.
Der Baum hat diese Belastung kaum ausgehalten und hatte gar keine Chance, richtig groß zu werden. Im Gegenteil, er stand kurz vor dem Absterben. Und ich habe das gar nicht richtig mitbekommen, klar, ich hatte das Getier gesehen, das sich an seinem Stamm zu schaffen versucht hat, und ich habe die Kettensägen gehört. Aber die ganze Krankheit von innen heraus, davon habe ich überhaupt nichts gemerkt.
Zum Glück habe ich Freunde, die sich ein bisschen mit Botanik auskennen. Deren Blick für eines der Hauptprobleme des Baums um Einiges geschärfter war als meiner, der irgendwie nur drauf ausgerichtet war, irgendwann die Früchte des Baums zu genießen. Und so habe ich mir eine Lehrstunde in Baumpflege abgeholt und konnte kaum glauben, wie ignorant ich dieser Pflanze, diesem Lebewesen gegenüber gewesen bin. Vergessen all das Ungeziefer, vergessen die Kettensägen, ich kam mir vor wie der personifizierte Baummörder!
Und so fasste ich einen Plan. Als der Baum zum letzten Mal seine Früchte abgeworfen hatte, nahm ich mir eine von ihnen und legte sie in ein Kästchen, das ich dann wegschloss. Ich nahm selbst die Kettensäge in die Hand und fällte den Baum, wütend, rasend vor Wut auf mich selbst, und sah all die verfaulten Stellen im zersägten Baumstamm. Mich schauderte vor diesem Anblick und ich verbrannte alles, was von dem Baum übrig war. Ich grub den Stamm mitsamt den Wurzeln aus, ich vernichtete alles, was mir mein eigenes Versagen vor Augen führen konnte.
Ich schüttete das Loch mit frischer Erde auf und gab dem Boden über ein Jahr Zeit, sich zu regenerieren. Ich wusste, dass ich diese Stelle in meinem Garten nicht aufgeben wollte, aber ich wollte dieselben Fehler nicht noch einmal machen, und so wartete ich. Und wartete. Und wartete. Die Frucht, die ich in all' dieser Zeit im Kästchen aufbewahrt hatte, vertrocknete natürlich und zerfiel nach und nach. Aber ich wusste, dass all' diese Wartezeit zwar die Frucht mochte vertrocknen lassen, nicht aber den Samen, den ich irgendwann würde einpflanzen wollen.
Und nun ist es soweit. Ich habe den Boden gepflegt und den Samen eingepflanzt. Ich werde mich um den Setzling kümmern. Ich weiß, dass es sehr viel Zeit braucht, bis daraus ein Baum wird. Ich weiß aber auch, wenn ich gut aufpasse, dass er größer und stärker werden kann als der letzte, und dass er alle Bedrohungen - von außen und von innen - wird abschütteln können.
Ich habe einen Baum gepflanzt, und es ist eines der wenigen Male in meinem Leben, in dem mir eine Sache wirklich etwas bedeutet.
post scriptum: Ich überlege, ob ich wieder eine Schachtel Pralinen verlosen soll. An denjenigen, der errät, wo das Foto oben aufgenommen wurde. Die große Buba hat letztes Mal gewonnen und ihre Pralinen immer noch nicht bekommen ;-P
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