Samstag, 3. Februar 2024

Tag 186 - Situationsbeschreibungen


Eigentlich sollte es für jemanden auf'm Spektrum kein Problem sein, eine Situation zu beschreiben. Sachlich ist unsere Stärke. Beispiel gefällig?

Gestern und heute fahren in Kiel fast keine Busse. Ich bin zum Citti-Park gegangen und habe gesehen, dass stattdessen die Straßen für einen Samstag um diese Uhrzeit mehr als überfüllt sind. Es sind unglaublich viele Autos unterwegs - logisch, wenn es eben nicht anders geht. Tolles Argument für die Verkehrswende. Ebenso sieht man auf den Gehwegen deutlich mehr Fußgänger - die strahlende Sonne trägt zur Wanderlust bei. Dass das Einkaufszentrum dann wieder völlig überfüllt war, ist unabhängig von der Bussituation, denn samstags ist dort immer die Hölle los. Schreiende Kinder, Kinder, die sich den Servierrobotern von Giovanni L absichtlich in den Weg stellen oder sie liebevoll streicheln, Menschengruppen, die versuchen, sich gegenseitig zu überholen und natürlich auch wieder jene, die völlig unvermittelt im Weg stehenbleiben.

Ich würde sagen, das war eine sachliche Situationsbeschreibung. Schwieriger wird es für mich, wenn es mich selbst betrifft (und ich habe das auch schon bei meinem Bruder erlebt). Älteres Beispiel: Mein Referendariats-Portfolio, in dem ich beschreiben sollte, wie ich die drei Semester erlebt habe. Aus meiner Sichtweise habe ich einfach nur die Fehler im System beschrieben, die mir das Leben während dieser Zeit zur Hölle gemacht haben. Zum Glück hatte ich die Sannitanic als Korrekturleserin, die mir klargemacht hat, dass das extrem anklagend und vorwurfsvoll klingt, und dass es zwar sachlich alles stimmen mag, aber mir definitiv keine Türen bei den Adressaten öffnen wird. 

In dieser Phase befinde ich mich jetzt auch wieder. Ich beschreibe gerade meine berufliche Situation, um das dann an den ÖPR oder die GEW oder die Frau aus dem Ministerium zu schicken, oder übermorgen meinem Sachbearbeiter im Arbeitsamt davon zu erzählen. 

Und wieder ist es so: Ich schreibe alles erstmal gefühlt sachlich auf, aber einen Tag später klingt der Text wie "Unser Schulsystem ist scheiße, ich fühle mich menschenunwürdig behandelt, und das Ministerium trägt die Schuld". Auch hier: Da mag zwar ein Körnchen Wahrheit dran sein, könnte aber das Todesurteil für Unterstützung seitens des Ministeriums sein. Also lasse ich den Text noch etwas garen. Überlege mir, ob wichtige Punkte fehlen, und wie ich ihn freundlicher, hilfesuchender gestalten kann. Dass am Ende der Eindruck bleibt, dass dieser Lehrkraft irgendwie geholfen werden muss.

post scriptum: Es wird mal wieder spannend - Dienstag früh gehe ich in's Bildungsministerium, ich habe einen Termin bei'm Schwerbehindertenbeauftragten. Darauf freue ich mich tatsächlich - vielleicht bekomme ich ein paar Antworten. Bis dahin sollte meine berufliche Situationsbeschreibung also fertig überarbeitet sein ;-)

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