vorweg: Ich gebe zu, ich wollte mein neues - und hoffentlich letztes - Anschreiben für meine Bewerbung an Schulen etwas drastischer formulieren. Ich wollte ein paar sehr ehrliche Sätze einbauen, die sich aus den letzten elf Jahren Beschäftigung ergeben haben.
Ich kann wirklich nicht sagen, warum ich das nicht gemacht habe. Es wäre ein sehr langer Text geworden, an dessen Ende etwas in Richtung "Wenn Sie diesen Text komplett gelesen haben, möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, zu einer absoluten Minderheit zu gehören, die mir sehr viel Aufmerksamkeit entgegengebracht hat. Ich würde Sie sehr gern in einem persönlichen Gespräch kennenlernen."
Natürlich wäre das beruflicher Selbstmord gewesen, aber andererseits wäre es ein Text gewesen, der mich repräsentiert. Was ich stattdessen gemacht habe: Ich habe alles auf ein Minimum zusammengestrichen, was eh' kein Schwein interessiert (Theaterarbeit, Arbeit in der Suchtprävention, der Umstand, dass ich Latein unterrichte, dass ich Autist bin), und auf das konzentriert, was für Schulen hilfreich sein könnte: Dass ich besonders gut mit SchülerInnen in schwierigen Situationen der Klassenstufen sieben bis zehn zusammenarbeiten kann.
Deprimierend, aber aufgrund meiner Note und Gleichstellung müssen sie mich eh' anschreiben (und einladen), und die interessanten Sachen können wir dann auch im Gespräch klären.
Danke, Schulsystem.
Sehr geehrte Schulleitung (sic),
hiermit bewerbe ich mich zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf eine Planstelle (oder auch
Vertretungsstelle mit Aussicht auf eine unbefristete Beschäftigung) für die Fächer Englisch und Latein. Ich hätte kein Problem damit, das Fach Latein nicht zu unterrichten; in den vergangenen elf Jahren habe ich aufgrund mangelnden Bedarfs nur insgesamt zweieinhalb Jahre Latein unterrichtet.
Im Juli 2011 habe ich das Studium dieser Fächer für das Lehramt am Gymnasium an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit dem 1.Staatsexamen abgeschlossen. Mein 2.Staatsexamen habe ich am 27.11.13 abgelegt (Note 1,9). Derzeit bin ich arbeitslos.
Ich bin Autist. Welche Auswirkungen das auf meine Arbeit als Lehrer haben kann, würde ich gern in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen erörtern, auf das ich mich sehr freue.
Vielleicht kann ich mit meiner Erfahrung als Hochbegabter Ihre Schule auch in diesem Bereich unterstützen; an meinen bisherigen Schulen konnte ich bereits ein paar SchülerInnen als hochbegabte Underachiever erkennen und fördern. Ebenso würde ich Ihrer Schule gern als Experte für SchülerInnen mit autistischem Verhalten zur Seite stehen, wie ich es auch in den letzten Jahren tun durfte.
Eine meiner Stärken ist es, die SchülerInnen für meine Fächer zu begeistern, ihnen zu zeigen, dass Schule weit mehr ist als bloße Lerninhalte und in der Konsequenz den Lernwillen und –erfolg anzufeuern. Durch meine Arbeit an Regional- und Gemeinschaftsschulen habe ich mich mit verschiedenen Lernausgangslagen auseinandergesetzt, so dass ich differenziert auch mit SchülerInnen in schwierigen Situationen arbeiten kann; meine Schwerpunkte liegen in den Klassenstufen 7-10 (aber ich besitze die volle Facultas für die Sekundarstufe II).
Über weitere Befähigungen (Theaterarbeit, Suchtpräventionsarbeit, Freizeitbereich) würde ich mit Ihnen gern in einem persönlichen Gespräch reden.
Mit freundlichen Grüßen,
Tobias Homann
post scriptum: Wie cool es sein kann, einen ehemaligen Schüler am Hauptbahnhof wiederzutreffen. Eine kurze Runde unterhalten, bis der Bus kommt, ich habe mich richtig gefreut!
paulo post scriptum: Ihr seid herzlich eingeladen, mir zu erklären, warum das ein ziemlich ungeschicktes Anschreiben ist ;-) Immerhin ist es authentisch.
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