Samstag, 23. September 2023

Tag 54 - Panikattacke


So, diesen Artikel hätte ich schon am Donnerstag schreiben wollen, aber es sind immer wieder andere Ideen im Kopf. Heute darf er aber festgehalten werden, und es handelt sich aus einen Beitrag aus dem Bereich Asperger pur - wobei diesmal, glaube ich, auch neurotypische Menschen ein bisschen an die Decke gegangen wären.

Ich habe endlich meinen neuen Termin bekommen, für das nächste Orientierungsgespräch in der Agentur für Arbeit. Ich hatte schon geschrieben, dass ich mich darauf freue, weil ich einen neuen Betreuer habe, der wohl auf berufliche Integration von Menschen mit Behinderung - oder so ähnlich - spezialisiert ist. 

So wird also vorgestern, am Donnerstag, kurz vor Mittag ein Brief durch meine Tür geworfen, und ich mache mich an's Lesen. "Sehr geehrter bla, ich möchte mit Ihnen Ihre berufliche Situation besprechen bla und so weiter". Termin, dazu noch die Hotline der AA, falls man zehn Minuten Zeit zum Warten hat, um irgendwelche Fragen beantwortet zu kommen. Und dann kommt da wieder so ein Absatz, den ich grausam finde.

Fast so grausam wie das "Sie haben keinen Wichtigen Grund für Ihr Versäumnis mitgeteilt" neulich, das ich extra nochmal brieflich bekommen habe. Diesmal stand in diesem Absatz der freundliche, aber sehr deutliche Verweis darauf, was alles mit mir passieren kann, wenn ich dieser Vorladung zum Gespräch nicht nachkomme, ohne vorher per Formular abzusagen. Und das klingt alles sehr rechtlich korrekt, und ist es leider auch, aber ich fühle mich ein bisschen, als ob man davon ausgeht, ich würde den Termin nicht wahrnehmen wollen und einfach nur das Geld abkassieren.

Ist ja alles richtig und gut so. Fühlt sich nur doof an. Aber gut, ich schaue drauf, wann mein Termin ist, und die Züge entgleisen mal wieder. Der Termin ist an genau dem Donnerstag, wo ich diesen Brief erhalten habe, und zwar zwei Stunden, bevor er mir zugestellt wurde.

Mittlerweile wird das ein bisschen routinierter - merken, wie die Atmung schneller wird, wie die Panik anflutet, zum Portemonnaie greifen und eine Tablette nehmen, Viertelstunde warten, bis alles wieder runtergefahren ist.

Und natürlich sind meine ersten Gedanken wieder bei mir: Scheiße, ich habe den Brief bestimmt übersehen, der lag doch sicherlich schon einige Tage hier, denn die müssen ja eine Vorlaufzeit haben, und ich habe es mal wieder versaut. In Gedanken sehe ich schon einen weiteren Brief mit der nächsten Sperrfrist eintrudeln, oder am besten gleich mit der kompletten Streichung sämtlicher Bezüge - was mache ich nur, was tue ich jetzt? Den Betreuer anrufen! Also suche ich oben rechts nach der Telefonnummer, aber die gibt es natürlich nicht, sondern nur die der allgemeinen AA-Hotline mit der Viertelstunde Wartezeit. Aber ich sehe etwas Anderes dort gedruckt und werde stutzig.

Der Brief ist tatsächlich mit der korrekten Vorlaufzeit von zwei Wochen geschrieben worden. Datum des Briefes ist der siebte September. Dann schaue ich auf den Briefumschlag und suche nach dem Poststempel und ich gehe fast direkt hoch - abgestempelt am achtzehnten September. Elf Tage lang ist dieser Brief also nicht eingeliefert worden. Und dass es dann drei Tage gedauert hat, den Brief bei mir einzuwerfen, ist derzeit leider normal, weil sowohl die Deutsche Post als auch DHL extrem lange Zustellzeiten haben und Briefe in den letzten Monaten verschwunden sind.

Nun könnte ich mich eigentlich beruhigen, denn ich habe nichts falsch gemacht, also sollten mir auch keine negativen Konsequenzen entstehen. Dann fällt mir ein, dass ich bei meinem Antrag auf das Arbeitslosengeld auch nichts falsch gemacht habe und es sieben Wochen gedauert hat, bis das erste Geld gekommen ist, und ich setze mich in die Zimmerecke und mache nichts mehr. 

Heute, am Samstag, bin ich wieder einigermaßen bei mir, die Dickschwartigkeit ist zurück, und ich lege mir den Brief zurecht, um am Montag früh um acht Uhr bei der AA anzurufen und freundlich, aber bestimmt um einen neuen Termin zu bitten, und werde direkt aufnehmen lassen, wie das mit dem Terminversäumnis gelaufen ist. Ich werde eine Möglichkeit zur Stellungnahme verlangen, ich werde darin eine Kopie der Einladung und eine Kopie des Briefumschlags mit dem Poststempel anhängen. 

Toll, wo Autisten sowieso so gut damit zurecht kommen, wenn Dinge spontan ablaufen. Wie soll ich einen Termin wahrnehmen, der gut neunzig Minuten vor Erhalt der Vorladung liegt???

Blutdruck runter. Videospiel. Folgen der Panikattacke ausstehen und meinen Psychiater nächstesmal fragen, ob meine Reaktion in so einer Situation normal ist, oder ob ich mir tatsächlich mal wieder den Schuh anziehen muss, ich hätte es versaut.

"Sie haben keinen Wichtigen Grund für Ihr Versäumnis mitgeteilt."

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