Mittwoch, 18. Mai 2022

Projektwoche


vorweg: Eine Woche Nachdenken. Das muss reichen. Gedankliche Klarheit hergestellt.

Wir beenden das Schuljahr mit einer Projektwoche zum Thema Vielfalt. Ich muss zugeben, ich liebe es, mir ein Projekt auszudenken, an dem ich dann mit Schülern arbeiten kann. Vor Jahren hatte ich mal Rollenspiele selbstgemacht angeboten, dabei mit den Schülern am ersten Tag Das Schwimmbad gespielt und ihnen dann Tipps an die Hand gegeben, wie sie solche Spiele selbst entwerfen können, und am letzten Tag haben wir die Spiele der Schüler ausprobiert. Ein Aspi war in der Gruppe - die vier Schüler aus dem elften Jahrgang fanden ihn zu anstrengend und sind nach dem zweiten Tag nicht wiedergekommen. Scheint einfach menschlich zu sein, dass neurotypische Menschen sich vom Verhalten eines Asperger-Autisten genervt fühlen. Da hilft auch keine Aufklärung. Dabei ist ja gerade die Behinderung etwas, was eine Schule vielfältig macht, und das spielt dann auch in mein Projekt in diesem Jahr hinein:

Vielfalt im Film - im Wandel der Zeit

"Der amerikanische Hays-Code hat von 1930 bis 1967 Hollywoodfilmen die Darstellung bestimmter gewalttätiger, sexueller und politischer Verhaltensweisen verboten. Darunter fielen nicht nur längere Kuss-, Sex- oder Gewaltszenen sowie Vulgarität, sondern auch Filme, in denen gesellschaftliche Vielfalt als Norm oder als Ziel gezeigt wird. Sexuelle und kulturelle Vielfalt waren damit von den Leinwänden verschwunden.

Man könnte nun leicht denken, dass alte Filme prüder sind und dass heutzutage viel mehr Vielfalt auf der Leinwand präsentiert wird – aber ist das wirklich so? In diesem Projekt wollen wir uns zunächst zwei Filme anschauen, die sich mit den Themen Vielfalt und gesellschaftliche Ausgrenzung beschäftigen, zwischen denen aber fast ein Jahrhundert liegt. Wir werden lernen, wie man einen Film auf die Darstellung von Vielfalt hin analysiert. Danach soll jeder Projektteilnehmer einen Film (verteilt über einen möglichst großen Veröffentlichungszeitraum) wählen und ihn selbst analysieren.

Am letzten Projekttag werden wir uns unsere Filme gegenseitig vorstellen, den anderen erklären, ob Vielfalt gezeigt wird, welche Meinung der Film zu dem Thema hat und schließlich anhand einer Timeline veranschaulichen, ob sich die Zeiten für Kinofilme geändert haben oder ob es auch nach Abschaffung des Hays-Code immer noch Gründe für Filmemacher gibt, unsere Gesellschaft nicht als vielfältig darzustellen."

Die beiden Filme, die wir uns anschauen werden, tragen beide den Titel Freaks, einmal von 1932 (also pre-Code) und einmal von 2018. Ich bin gespannt, was sich daraus für Gespräche ergeben werden; gerade der ältere Film hat damals Entsetzen ausgelöst. Das wird er heute nicht mehr tun, aber er bleibt noch immer ein provokatives Stück über die Frage "Wie verhalte ich mich einem behinderten Menschen gegenüber?"

Das ist natürlich nur eine Form der Vielfalt. Wir werden uns im Bereich LGBTQ umschauen, auf kulturelle Diversität in den Casts achten, und ohne den Bechdel-Test geht mir kein Schüler nach Hause. Und vielleicht finden wir heraus, wie sich die Filmlandschaft in den vergangenen einhundert Jahren verändert hat.

Ich freue mich riesig darauf!

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