I couldn't care less about my brothers.
Meine Brüder sind mir so ziemlich egal. Mehr noch, eigentlich nerven sie mich. Das war meine Denkweise in der Jugend. Zwei ältere Brüder, die immer schon "weiter" waren als ich, und deren T-Shirts ich aufgetragen habe, weil ich nicht wusste, dass ich mir aussuchen kann, welche Kleidung ich trage. Es fühlte sich an, als ob meine Brüder immer bevorzugt wurden, wohingegen ich zuständig war für das Durchsaugen, Müllrausbringen, Blumengießen und was es sonst noch an chores im Haushalt gibt. Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man der Dritte ist, gerade, wenn die anderen beiden Zwillinge sind.
Das hat sich auch nicht wirklich geändert, als ich von zuhause ausgezogen bin, nach Kronshagen, in eine WG mit Conny. Keine Eltern mehr, keine Brüder mehr, sollte man meinen - aber irgendwie habe ich doch immer gespürt, dass die Brüder da sind, und dass sie mich nerven. Der eine mehr, der andere weniger. Diese Denkweise hat sich noch etwas erhärtet in Richtung "Der eine ist nett, der andere ist doof und triezt mich und macht mir absichtlich das Leben schwer". Ich bin von diesem Denken nicht losgekommen, das ganze Studium hindurch, und auch danach.
Das hat dazu geführt, dass ich mir gesagt habe, okay, in meiner Wahrnehmung habe ich einfach keine Brüder mehr. Die sollen ihren eigenen Kram machen, sollen sie doch glücklich sein, aber ich will da nicht mit reingezogen werden, ich will von ihnen nichts hören oder sehen, wenn es sich vermeiden lässt. Das ließ sich nicht immer vermeiden, gerade, wenn einer der Brüder mich für ein Wochenende bei den Eltern mit dem Auto abgeholt hat. Das waren keine schönen Erlebnisse, sondern Stress, und ich war froh, wenn ich wieder in den Kronshagener Bergen war.
Dann habe ich den Kontakt abgebrochen. Nicht mehr auf Anrufe geantwortet, klargemacht, dass ich meine Ruhe haben möchte. Bis in das Referendariat hinein und darüber hinaus. Ich konnte nie verstehen, wie man seine Geschwister lieben kann, ich wusste nicht, wie sich so etwas wie Geschwisterliebe anfühlt, ich habe nur oft davon gehört. Dann habe ich an meine eigenen Brüder gedacht und mir gesagt "Ne, niemals, da ist fast nur noch Abneigung". Auch als ich in's Berufsleben eingestiegen bin.
Aber wir werden älter und entwickeln uns weiter. Seitdem ich mich ernsthaft mit dem Asperger-Syndrom auseinandersetze, ist jegliche Abneigung, jeglicher Hass meinem Bruder gegenüber verschwunden - weil ich ihn endlich verstehe. Ich verstehe, dass er mir nie etwas Böses wollte, und ich verstehe, dass er mir nie mit Absicht das Leben schwer gemacht hat. Ich erkenne so Vieles von mir in ihm wieder.
Und dann realisiere ich, wie ich quasi durch die Hölle gegangen bin auf dem Weg nach der richtigen Schule für mich. Und plötzlich kommt der Wunsch auf, dass es meinen Brüdern gut geht. Ich möchte, dass sie nicht wegen ihrer Verhaltensweisen so abgelehnt werden, wie es bei mir der Fall war. Ich möchte ihnen - ihm - den Stress nehmen. Ich möchte ihm helfen. Ich kann mir nicht wirklich erklären, warum mir das ein Bedürfnis geworden ist. Ich glaube, das meint der Begriff Geschwisterliebe.
I actually do care about my brothers.
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