Freitag, 8. März 2024

Interessante Einsicht


Früher sind wir als Familie fast jeden Sonntag zu Oma gefahren, zum Kaffeetrinken und Kuchenessen. Ich weiß, dass meine Mutter diesen Beitrag gerade liest, und ich hoffe, sie bekommt das Folgende nicht in den falschen Hals: Für mich waren die Besuche bei Oma immer lästig. Ich bin an einen fremden Ort gefahren, sechs Leute an einem Tisch, die Smalltalk machen - was viele Autisten nicht mögen - mein Bruder, der Klugscheißer, der nichts unkommentiert lässt. Ich selbst habe nur sehr selten etwas gesagt, zumindest ist das meine Erinnerung.

Es gab aber auch etwas Tolles an einem Besuch bei Oma, nämlich quality time mit der Oma selbst. Wenn ich sie ganz für mich hatte, das war toll, dann haben wir uns an den Küchentisch gesetzt und Rätsel gelöst. Fernsehzeitung, Klatsch und Tratsch, überall sind Rätsel drin, und meine Oma hat es geliebt, Rätsel zu lösen, und diese Leidenschaft hat sie an mich weitergegeben. Das war immer traumhaft, mit ihr als Team an die Rätsel zu gehen, und sie hat mir dabei Vieles aus ihrem Erfahrungsschatz beigebracht.

Allerdings mochte ich nicht jeden Rätseltyp. Silbenrätsel? Eher nicht, aber Lustiges Silbenrätsel fand ich toll, da muss man einen Begriff erraten, der auf humoristische Weise umschrieben ist - und ein Lösungswort oder -spruch gab es auch jedesmal. Was mich besonders angezogen hat, waren Wortsuchrätsel. In einem Buchstabenchaos nach Wörtern waagerecht, senkrecht, diagonal, vorwärts und rückwärts zu suchen - dabei habe ich mich wie ein Detektiv gefühlt. Besonders schön war es, wenn die übrig gebliebenen Buchstaben ein Lösungswort ergeben - ich habe auch immer gern Wortsuchrätsel für die fünfte und sechste Klasse in Englisch gebastelt.

Muss wohl ein Gefühl von Nostalgie gewesen sein: Ich habe mir ein Wörtersuchen-Rätselheft gekauft und in meinem Rucksack verstaut. Immer wenn ich mit dem Bus unterwegs bin, habe ich meinen Rucksack dabei; darin sind durchschnittlich acht Rätselhefte und viele Fasermaler in diversen Farben. Also haben diese Hefte nun einen neuen Nachbarn bekommen, und ich habe nach und nach eine Sache realisiert: Suchrätsel sind mir nicht anspruchsvoll genug. Es macht zwar immer noch Spaß, diese Wörter zu streichen und ein Lösungswort zu bekommen, aber mein Gehirn hat dabei nichts zu tun; es ist reine Sucharbeit.

Die anderen acht Hefte im Rucksack sind allesamt Logikrätsel - zwei Zeitschriften habe ich abonniert, damit immer genug Nachschub da ist. Denn bei diesen Logikrätseln fangen meine grauen Zellen an, zu arbeiten, und das mag ich, das reizt mich, das gibt ein kribbelig-aufregendes Gefühl. Je älter ich werde, umso mehr fällt mir auf, wie wichtig mir intellektuelle Stimulation ist. Drollig: Das ist das Hauptthema des großartigen Comedy-Dramas The Banshees of Inisherin. Und mittlerweile kann ich nachvollziehen, warum darin einer von zwei besten Freunden unerwartet die Freundschaft aufkündigt.

Suchrätsel sind Zeitvertreib. Logikrätsel, gerade visuelle, sind eine Herausforderung.

Und das mag ich.




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