Montag, 10. Juli 2023

Kinder schlagen


Samstag nachmittag, ich sitze in der Vierzehn von Bettendorf zum Hauptbahnhof. Vorne links, hinter der Fahrerin, Einkaufstasche zwischen den Beinen, Logiktrainer auf dem Schoß. Auf den Platz vorne rechts setzt sich eine ältere Dame, Lehrerin im Ruhestand, wie ich erfahre. Sie fängt an, sich mit der Busfahrerin zu unterhalten, und ich kann ihr Gespräch nicht ausblenden. Ich habe mich ein bisschen wie die große Buba mit ihrer selektiven Schwerhörigkeit gefühlt; der Bus war voll, überall wurde geredet, aber dieses eine Gespräch hatte ich vollkommen im Fokus.

"Die Jugendlichen heute werden auch immer unhöflicher. Der junge Mann, der eben hinten eingestiegen ist. Sie haben extra für ihn nochmal gebremst, aber er hat sich nicht einmal bedankt. Frecher, und unerzogen! Die bräuchten mal einen ordentlichen Klaps. Ich habe das während meiner Lehrzeit gemacht, am Anfang, wenn ein Schüler zu ungehorsam war. Mittlerweile darf man das ja nicht mehr! Dann bekommt man eine Dienstaufsichtsbeschwerde!"

Ich bin nicht so gut darin, den Tonfall anderer Menschen richtig zu deuten, aber die Dame war definitiv etwas enttäuscht davon, dass man Kinder heute nicht mehr schlagen darf. Erstmal: Ich habe Verständnis dafür, dass Kinder einen triezen können, bis man explodiert. In der Orientierungsstufe fange ich dann an zu schreien, so laut, dass manche SchülerInnen tatsächlich Angst bekommen. Das ist psychische Gewalt, und es hat mir jedesmal Leid getan, wenn das passiert ist. Ich bin Autist - ich kann nicht anders. Wenn ich von Reizen überflutet und von frechen Kiddies bombardiert werde, dann staut sich Energie an und platzt dann heraus. Ich kann das nachvollziehen.

Aber handgreiflich zu werden - da wäre für mich eine Grenze überschritten. Ich habe noch nie jemanden geschlagen und werde es auch weiterhin nicht tun, nicht einmal "nur eine kleine Ohrfeige", so wie sie damals in meiner Schulzeit mein Biolehrer an einen Mitschüler ausgeteilt hat. Zum Glück haben wir mittlerweile ein Gesetz, dass es verbietet, Kinder zu schlagen. Zum Glück würde so etwas zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde führen! 

Die Kiddies sind, wie sie sind. Als Lehrer muss ich an mir arbeiten, um damit umzugehen. Meine Behinderung macht es mir etwas schwerer, aber das Lojong-Training hat schon sehr weit geholfen. Ich darf das nicht an den SchülerInnen auslassen. Sicher mögen manche von ihnen schlecht erzogen sein - aber das ist nicht ihre Schuld! Zu wenig Aufmerksamkeit zuhause, zu wenige Richtlinien, generell zu wenig Zuwendung seitens der Eltern - all' das kann dazu führen.

Lasst es nicht an dem Kind aus.

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