Montag, 17. Juli 2023

Schulleiter


Das ist Fiktion. Ich glaube, das sind Sätze, die ich in einen Roman über unser Schulsystem schreiben würde. Das wäre dann natürlich eine Satire, denn solche Sätze fallen ja nicht im richtigen Leben.

"Sie sind ein Einser-Lehrer, aber nicht an dieser Schule. Das Gutachten ist eine Zwei, ich kann ihnen nicht erklären, warum, aber das ist meine Meinung und die werde ich nicht ändern."

"Ja, wir hatten das Vorstellungsgespräch mit ihrer Mitbewerberin, wir haben das nicht mit ihnen gemacht, denn wir kennen sie ja. Wir haben uns nicht für sie entschieden. ... Sie sind recht gelassen?" - "Man gewöhnt sich daran." - "Tschüß, Herr Ro, äh, Ho, äh, ja..."

"Ja ich weiß, sie haben das alles kommen sehen, aber trotzdem muss ich ihnen jetzt diese Dienstanweisung schreiben."

"Sie verstoßen damit gegen die Verschwiegenheitspflicht." - "Um welche sensiblen Informationen, die nicht unter die Ausnahmen fallen, geht es denn?" - "Das weiß ich jetzt auch nicht, ich habe die Blogs nicht vor mir."

"Ihre Aussage ist arrogant, überheblich und vermessen, und ich finde sie ehrlich gesagt ein bisschen unglaubwürdig."

"Und mit deiner Behinderung, das ist ja nochmal was Anderes, es ist ja jetzt nicht so, dass du eine Behinderung an deinem Fuß hättest."

"Wenn wir Inklusion leben sollen, dann gilt das selbstverständlich auch für das Kollegium." Drei Monate später: "Das geht so nicht, du musst dich eben besser anpassen."

"Sie schreiben hier, dass ich den Großteil meiner Lehrproben nicht mit meinen Mentoren abgesprochen hätte. M1 sitzt hier neben mir und wird ihnen gern bestätigen, dass alles durchgesprochen war, und hier habe ich den kompletten Mailverlauf zu jeder M2-Lehrprobe ausgedruckt. Wie kommen sie also zu dieser Aussage?" - "Naja, dann streichen wir das eben."

"In der Dienstanweisung steht, dass ich private Treffen mit Schülern unterlassen soll. Können sie mir sagen, welche Treffen sie damit meinen? Ich treffe mich nicht privat mit Schülern." - "Nein, ich muss ihnen das auch gar nicht erklären. Unterschreiben sie einfach, und dann ist die Sache gut. Das wird gar nicht in ihre Ministerialakte kommen, machen sie sich keine Sorgen."

"Sie werden da draußen sofort eine neue Schule finden."

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Warum wird man Schulleiter?

Ich würde niemals Schulleiter sein wollen. Man bekommt einfach alles ab. Es gibt da diesen Spruch Der Fisch stinkt vom Kopf. Wenn irgendwas in der Schule nicht läuft, fällt alles auf die Schulleitung zurück. Das würde ich nicht aushalten wollen. Oder ist da etwas dran?

Warum geht man auf Funktionsstellen? Als Autist fände ich es ganz interessant, Stundenplaner zu sein. Klassen, Kollegen, Fächer, Stunden hin- und herschieben, bis irgendwann alles passt. Aber an einer großen Schule passt nie alles. Und ich weiß, dass es immer KollegInnen gäbe, deren Wünsche ich nicht würde erfüllen können. Also doch kein Stundenplaner. 

Stufenleiter? Bloß nicht! Ich muss mich mit Elternhäusern auseinandersetzen, mit neurotypischen, manchmal dummen, aber Recht haben wollenden Menschen, die Geld und Einfluss haben, ich müsste die Zeugnisnoten eintreiben von KollegInnen, die es vielleicht nicht so sehr mit der Pünktlichkeit haben... nix da.

Was ist meine Aufgabe als Schulleiter? In Kontakt mit dem Schulträger zu treten. Kontakt mit dem Bildungsministerium. Dort sitzen... Menschen. Mit denen ich vielleicht nicht unbedingt kommunizieren möchte. Diese Aufgabe schieben wir mal beiseite; bliebe da noch die Fürsorgepflicht. Ich muss mich um meine Lehrkräfte kümmern. Falsch: Ich möchte mich um meine Lehrkräfte kümmern! Ich möchte, dass sie gern hier an dieser Schule arbeiten, ich möchte, dass sie sich wohlfühlen und das Beste aus sich herausholen können. Ich möchte, aber ich kann nicht, denn ich bin völlig empathielos.

Ich habe meine Sätze zurechtgelegt, die man eben so sagt, bei Einstellungen, Abmahnungen, Verabschiedungen, Konferenzen. Die gehen immer, da muss nix individualisiert werden, und damit könnte ich maskieren, dass Empathie meine große Schwäche ist. Das schadet mir auch schon als Lehrkraft, die SchülerInnen mögen mich nicht, und ich weiß nicht warum. Also ist es doch eigentlich eine gute Idee, Schulleiter zu werden, denn dann muss ich nicht mehr so viel unterrichten.

Aber auf der anderen Seite... als Schulleiter hätte ich eine Machtposition inne. Und ich bin für Personalangelegenheiten zuständig. Ich dürfte meinen Lehrkräften vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Ich dürfte sie in Vier-Augen-Gesprächen ermahnen, zumindest bis sie auf die Idee kommen, sich einen Beisitzer zu holen. Ich könnte all' ihre Akten durchsehen und sie angemessen einnorden. Ich könnte endlich Schule so gestalten, wie ich mir das vorstelle. Rote Einträge in meiner Dienstakte im Ministerium können mir egal sein, solange es nur zwei sind, und nach fünf Jahren werden sie getilgt. Und die meisten jungen Lehrkräfte haben ja noch gar kein Rückgrat, also kann ich mit ihnen umgehen, wie ich will. Sollen sie doch froh sein, dass sie überhaupt eine Stelle gefunden haben! Zur Not kann ich ihnen das auch nochmal direkt in's Gesicht sagen. Dass sie nur A Dreizehn sind und nicht A Fünfzehn. Ich kann mir unangekündigt ihren Unterricht anschauen, wenn ich sie loswerden möchte, denn irgendwas werde ich da schon finden, was mir nicht passt. Und für all' das ist es sogar ganz gut, dass ich keinerlei Empathie empfinde. Dann muss ich mir keine Gedanken darüber machen, dass ich mal wieder eine Lehrkraft in den Nervenzusammenbruch geschickt habe, denn ich habe schließlich Wichtigeres zu tun. Meine Lehrkräfte sind für mich nichts weiter als eine Fächerkombination.

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Natürlich gibt es solche Schulleitungen nicht (oft). Aber allein, dass ich das alles nachvollziehen kann, macht mir klar, dass ich niemals Schulleiter würde werden wollen.

post scriptum: Euch ist irgendwas davon schonmal passiert? Sorry, ich wollte niemanden verletzen, jegliche Ähnlichkeiten sind rein zufällig!

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