Samstag, 5. November 2022

Geburt


Ich hatte irgendwann in meiner Jugend das Gefühl, dass ich keinen Draht zu meinen Brüdern finde - zweieiige Zwillinge, vier Jahre älter als ich. Genauer gesagt kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich dieses Gefühl einmal nicht hatte. Sie hatten ihre Zimmer oben im Haus, ich unten. Für mehr Details ist dieser Blog der falsche Ort.

Ich habe auf diesen Seiten schon öfters erwähnt, dass sich die Situation - beziehungsweise dieses Gefühl - in den letzten Jahren etwas geändert hat. Spätestens, seitdem ich versuche, die mental history meiner Familie etwas besser zu verstehen, weil ich denke, dass einer meiner Brüder ebenfalls auf'm Spektrum ist. 

Heute geht es um den anderen. Eigentlich gestern, wenn man genau sein möchte, aber ich habe die Mail erst heute gelesen, vorhin, zwischen Wäsche und Staubsaugen und günstiges-HDMI-Kabel finden.

Mein Bruder ist Vater geworden.

Diese Nachricht kommt nicht ganz so überraschend, denn eine Schwangerschaft bemerkt man in der Regel noch irgendwann vor der Geburt, und natürlich spricht sich das dann durch die Familie, und alle sind ganz aufgeregt und man bekommt einen angepeilten Stichtag irgendwo im November. In diesem Fall also gestern. Mein Bruder hat eine einen Tag alte Tochter - dieser Satz wirkt so surreal auf mich, weil ich nie gedacht hätte, dass es mal dazu kommen wird. Jetzt steht er da als Tatsache und ich bin seltsam berührt und bei'm Korrekturlesen kommt mir tatsächlich eine Träne in's Auge.

Ich freue mich riesig für meinen Bruder, und ich strahle auch eine Runde für meine Eltern mit, die sich dann ja doch irgendwann mit der Wahrscheinlichkeit abgefunden hatten, dass sie keine Großeltern mehr werden. So wird sich meine Ma nun an den Begriff "Oma" gewöhnen müssen, und mein Pa wird "Opa". Und ich glaube, dass sie damit keinerlei Probleme haben werden; ganz im Gegenteil, ihre Freude dürfte meine noch weit übersteigen.

An dieser Stelle erinnere ich mich an die beiden Geburten der Sannitanic, und wie die Zeit danach war, genau genommen bis heute, denn das hört ja nicht auf, der Stress, die Schlaflosigkeit, die vollgeschissenen Windeln, das Geschrei - und die Liebe und Zuneigung, die es nur zwischen Kind und Eltern gibt.

Und ich bin jetzt also Onkel, aber um mich geht es in diesem Beitrag nicht. Ich muss unbedingt irgendeine Nachricht für meinen Bruder fertig machen, keine dämliche zwei Euro fünfzig-Postkarte, sondern irgendwas Persönliches. Klar - dieser Beitrag wird seinen Weg auf die eine oder andere Weise auch zu ihm finden, aber ich möchte ihm gern persönlich sagen, wie stolz ich auf ihn bin.

Kommt noch. Erstmal verarbeiten! Und eine Runde strahlen...

Gilt für uns alle.

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