Samstag, 16. April 2016

Causa Böhmermann

Ich verfolge sie, ich genieße sie, ich goutiere sie. Die Causa Böhmermann ist für mich ein wahres Festessen, da sie so viele Diskussionsthemen aufwirft. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das direkt in meinen Englischunterricht mitgenommen hätte, unterrichtete ich derzeit. Den Sachverhalt kann man ja mittlerweile überall nachlesen.

Also, ich meine wirklich überall. Es ist doch nicht zu glauben, diese kleine Kabarettnummer, auf welche die Saturnalien stolz gewesen wären, geht um die Welt. Ich lese in der New York Times und der Washington Post wiederholt den Namen "Boehmermann" (mit dem umständlichen "oe"). Selbst ein Dr. Jens-Peter Becker widmet sich in seinem literarisch anspruchsvollen Blog (links verlinkt unter Jays Blog) der Sache, natürlich auf seine ganz eigene Weise. So, Knackwurst bereit? Dann gibt's jetzt nämlich meinen Senf dazu.

Für Lehrer und Juristenausbildung ist der Fall das reinste Lehrstück, z.B. um Satire, Disclaimer, Metaebene, ex negativo und viele weitere Konzepte zu erklären. Man sollte Böhmermann danken, dass er für all diese Unterrichtsthemen neues Material geliefert hat.

Dieses Material werden ein paar Anwälte besonders gewinnbringend umsetzen. Sie verdienen sich mit Böhmermanns Chuzpe und Erdogans Dünnfelligkeit eine goldene Nase und ich frage mich, warum ich nicht Anwalt geworden bin. Ich freue mich ja, um Olli Welke aus der heute show zu zitieren, dass das Gedicht im Gerichtsverfahren nochmal komplett verlesen werden wird und man sich die Köpfe darüber einschlägt, woher man Beweismaterial für Erdogans vermeintliche Sodomie nehmen soll. Hat sich eigentlich schon jemand die Filmrechte an dem Stoff gesichert? Hmmmm, vielleicht mit Jack Nicholson als Erdogan? Und Conchita Wurst als Böhmermann, die vornehme Kleidung stimmt zumindest schonmal. Und das Urteil verliest Richterin Barbara Salesch im Schatten eines Knallerbsenstrauchs.

Immerhin, Böhmermann hat sich aus der ganzen Reiberei klug herausgehalten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er sich feist grinsend ausgemalt hat - beim Verfassen seines Beitrags - welchen Schlagabtausch er damit auslöst. Er hat sich selbst feinstes Popcornkino geschrieben und genießt nun die Show.

Außerdem muss man einmal Erdogan für diesen Strafantrag danken. Das wirft Sand in das Getriebe des deutschen Strafrechts, ein längst überholter Artikel wird abgeschafft werden, es hat also sein Gutes. Und meist sind es Provokateure wie Böhmermann, die Missstände aufzeigen und dafür den Tanz über die Klinge wagen. Ich weiß, wovon ich spreche; an der TSS Husum war es mir letztlich untersagt, meine Mutmaßungen über die Probleme der Schule zu äußern. Satire darf alles, aber nicht unter Frau K. Das war auch in den Lehrproben immer explizit verboten.

Läuft drauf hinaus, dass die Dummheit der Menschen uns irgendwann umbringt (Ob die Dinosaurier vielleicht im Herzen Menschen waren?), und Zitat: "Unterschätze nie die Macht dummer Menschen, die einer Meinung sind."(war das auch wieder Kurt Tucholsky?)

Die opportunistische Reaktion der AfD hat nur bewirkt, dass mein nicht vorhandenes Frühstück sich den Weg bröckchenweise wieder hochgearbeitet hat, aber habe ich denn von denen (isti!) etwas Anderes erwartet, als dass sie sich auf die Seite "des Volkes" schlagen und Böhmermann beistehen?

Ich frage mich, ob mit Merkels Verkündung gestern nun der Zenit der Böhmermann-Affäre überschritten ist und wir zu dem übergehen, was man im Englischen im Allgemeinen als aftermath bezeichnet, das Nachspiel - sei es juristischer, medialer oder welcher Art auch immer. Selten habe ich mich so sehr für Nachrichten interessiert, selten war die Schnittmenge von Justiz, Politik und Kunst so herrlich zu verkosten!

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