Samstag, 2. Juli 2016
Drogenmündigkeit
Seit Tausenden von Jahren konsumieren Menschen und Tiere Drogen, wobei ich den etwas sachlicheren Ausdruck "psychoaktive Substanzen" bevorzuge. "Droge" ist negativ konnotiert und versperrt dadurch oft den Blick für die Fakten. So kommt es dann zu Fragen wie: "Konsumierst Du Alkohol oder Drogen?" Nur ganz nebenbei, Alkohol ist eine Droge. Genau wie Nikotin oder Koffein. Der Colatrinker ist Drogenkonsument, ebenso wie der Kaffee- oder Schwarzteetrinker.
Genau so unsinnig ist die Unterteilung in "chemische" und "natürliche" Drogen. Alle Wirkungen, alle Bewusstseinsveränderungen resultieren aus der Anwendung einer Chemikalie. Ich denke mal, die Unterscheidung, die eigentlich gemeint ist, sollte in "natürlich vorkommend" oder "synthetisch hergestellt" resultieren. Und hier ist eine Sache wichtig: Das ist eine sachliche Beschreibung, keine Wertung. Viele Menschen pauschalisieren und erhalten ein Bild im Kopf a la "Natürliche Drogen sind gut - weil sie ja in der Natur vorkommen - und synthetische Drogen sind schlecht - weil sie ja Chemikalien sind", whatever.
In der Fortsetzungsgeschichte äußert Julian seine Angst darüber, dass er abhängig werden könnte. Dass er bereits abhängig ist, wird ihm erst später bewusst werden. Aber auch, dass es okay ist. Aus diesem Grund wird ihm Timo das Konzept der sogenannten "Drogenmündigkeit" erklären. Er ist nämlich der Auffassung, dass das Gegenstück zu Abhängigkeit nicht Abstinenz ist, sondern eben jene Drogenmündigkeit.
Er schließt sich damit der Haltung Gundula Barschs und des Schildower Kreises an. Da haben sich doch in den letzten sechzehn Jahren ein paar Wissenschaftler zusammengetan und den War on Drugs für gescheitert erklärt. Man gelangte zur Einsicht, dass die repressive Drogenpolitik nicht
nützt, sondern eher schadet. Nun, wenn man den Menschen den Konsum nicht verbieten kann, was soll man dann tun? Es gibt da etwas, das nennt sich harm reduction, Schadensminderung. Man akzeptiert einfach, dass die Menschen psychoaktive Susbtanzen konsumieren - es ist schließlich gesellschaftliche Realität - und man gibt ihnen ein paar Tipps an die Hand, damit sie mündig und bewusst ihr Konsumverhalten beobachten und beeinflussen können.
Die vier Grundsäulen des Konzeptes der Drogenmündigkeit:
1. Substanzwissen: Ich weiß, was ich da gerade schlucke, spritze, rauche, aufklebe etc. - ich kenne die Substanz beim Namen, ich kenne ihre Wirkmechanismen. Ich weiß, welche Mengen für einen leichten Rausch nötig sind und ich weiß, ab wann es zuviel ist. Ich weiß, in welcher Hinsicht mein Bewusstsein nach dem Konsum dieser Substanz beeinträchtigt ist. Ich weiß, wie lange es dauert, bis die Wirkung abflaut. Ich weiß, mit welchen Stoffen ich diese Substanz auf gar keinen Fall konsumieren darf.
2. Genussfähigkeit: Wenn ich die psychoaktive Substanz konsumiere, geschieht das nicht mal schnell nebenbei. Ich lasse dem Vorgang ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zukommen, zum Beispiel durch Rituale, genaues Abwiegen, aufkochen etc.; wenn die Wirkung anflutet, bin ich mir dessen bewusst und genieße diesen Rausch. Ich bin komplett auf dieses Gefühl konzentriert.
3. Kritikfähigkeit: Ich stelle mich meinen Freunden, die mir meinen Konsum aufzeigen. Ich nehme ihre Hinweise ernst, wenn sie der Meinung sind, dass ich es übertreibe. Ich glaube ihnen, wenn sie den Eindruck haben, dass ich die Kontrolle über den Stoff verliere. Ich leugne diese Beobachtungen nicht. Ich nehme die Kritik ernst und versuche, konstruktiv damit umzugehen.
4. Risikomanagement: Ich habe mich vorher informiert, welche Gefahren beim Konsum bestehen. Ich habe Vorkehrungen dagegen getroffen. Wenn ein Notfall eintritt, weiß ich, wen ich um Hilfe bitten muss. Sollte ich dazu nicht mehr in der Lage sein, habe ich vorher einen Freund o.ä. informiert, der weiß, was ich mache. Ich kenne die Gefahren, ich tue es trotzdem, denn ich bin gut vorbereitet. (dazu gehören so grundlegende Sachen wie Set&Setting, Tripsitter usw.)
Okay, kann sein, dass ich hier und da die Sache nicht genau beschrieben habe, aber das Wesentliche sollte rübergekommen sein. Ich werde diesen Beitrag in die Linkliste links pinnen, weil mir das am Herzen liegt. Gerade als Lehrer beobachte ich oft Schüler, die eben noch drogennaiv sind und ich versuche, sie aufzuklären, damit sie mündig werden.
Der War on Drugs ist gescheitert. Verhelfen wir den Menschen zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit psychoaktiven Substanzen, jenseits jeglicher Doppelmoral und zweierlei Maßes!
multo post scriptum: Hier findet sich ein Beitrag zum Thema "Psychische Abhängigkeit".
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen