Videospiele. Genauer: Die Atelier-Reihe. Hatte ich noch nie von gehört, und dann durch Zufall mal einen der Teile ausprobiert. Oh, es gibt so Vieles, was gegen diese Spiele spricht. Plot gern dünn wie Papier. Sprachausgabe nur für etwa ein Viertel des Spiels. Anime-Stil. Unreife Witze. Schwierigkeitsgrad viel zu einfach. Und dann dieses unsägliche Zeitlimit, nach dessen Ablauf das Spiel einfach zu Ende ist.
Dabei sind die redeeming qualities dieser Spielereihe unübersehbar - wenn man sich nur die Zeit nimmt, sie wertzuschätzen. Die Teile dieser Reihe bauen nicht auf epische Storylines. Es geht auch mal ohne den Kampf Gut gegen Böse, ohne dass das ganze Universum auf dem Spiel steht. Ganz im Gegenteil, die Spiele sind leichtherzig und gutlaunig und das steckt an. Es geht um Probleme, die die Zielgruppe interessieren: Japanische Teenagegirls. Es geht um Romanze, um Klatsch und Tratsch.
Und es geht um Alchemie. Die Kämpfe, wie wir sie aus traditionellen RPGs kennen, stehen hier nicht im Vordergrund. Sie sind einzig der Schauplatz, um das unter Beweis zu stellen, was man im Hauptteil des Spiels fabriziert hat: Alchemie. Es gibt eine Vielzahl alchemistischer Formeln und in den neueren Teilen mittlerweile eine wahre Unzahl alchemistischer Zutaten. Mit ihrer Hilfe braut man Angriffs-, Heil- und Supportgegenstände zusammen. Man erschafft Edelsteine, Rüstungen, wichtige Bauteile. Man lernt, zielgerichtet Dinge zu alchemisieren.
Und in keinem anderen Spiel sind die Alchemieprozesse so komplex wie in der Atelier-Reihe. Es können Eigenschaften der Komponenten in das Produkt übernommen werden, teilweise miteinander kombiniert, und alles funktioniert so logisch, dass ich als Hochbegabter meinen Spaß daran habe, immer die bestmöglichen Produkte zu erhalten, die ich dann im Spiel ausprobieren kann.
Ja, die Handlungsstränge sind in der Tat oft sehr dünn. Bei Atelier Rorona muss man mithilfe von zwölf Aufträgen versuchen, den Alchemieworkshop von Roronas Meisterin zu retten. Für jeden der Aufträge hat man drei Monate Zeit. Und dann? Dann ist Ende, eiskalt. Nach drei Jahren Spielzeit (vier bei der Plus-Version) laufen die Credits über den Bildschirm, so dass man nach zwölf Stunden das Spiel beenden kann.
Es gibt unzählige Cutscenes, von denen allerdings nur ein kleiner Teil mit Sprachausgabe versehen ist - das bedeutet, dass es haufenweise Texte zu lesen gibt. Also eher nichts für die Spieler, die lieber nicht das Gehirn anstrengen wollen.
Zur Zeit spiele ich Atelier Escha&Logy. Einer der wenigen Teile, bei denen man die Hauptfigur wählen kann, und ich könnte schwören, dass die Namen Escha und Logy nicht zufällig gewählt sind, sondern sich vom englischen Begriff "eschatology" ableiten lassen. Generell findet man in diesen JRPGs die Besessenheit der Japaner mit ausländischen Namen wieder, besonders deutsche Wörter sind unglaublich beliebt. So heißt eine Blume "Dunkelheit", eine Legierung "Einzel Steel", eine Figur "von Ersleid". Weitere Beispiele gibt es in Unmengen.
E&L ist der vierte Teil, den ich spiele, inesgesamt einer der neuesten. Und diesmal bin ich begeistert, muss ich zugeben. Vom launischen Rocksong zum Titelvideo über eine eher lange Spieldauer bis hin zu einem handfesten Plot findet man hier alles, was man sich von der Reihe erhofft. Die Menge der alchemistischen Zutaten und Formeln ist gewaltig, es gibt eine Vielzahl an Missionen zu erfüllen und es ist unglaublich genugtuend, die Ergebnisse der eigenen alchemistischen Forschung auf dem Kampfplatz auszuprobieren und vernichtende Kombos hinzulegen.
Es ist eine angenehme Abwechslung, endlich mal keine schwülstige und schwergängige epische Tragödie vor sich zu haben, sondern ein leichtfüßiges, humoristisches Adventure, dessen Verlauf man aktiv beeinflussen kann. Wer sich also nicht von den seltsamen Namen irritiert fühlt und den zeitweiligen Seifenoper-Charakter aushält, der findet einen wunderbaren Zeitvertreib, der süchtig machen kann.
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