Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht - ich traue mich momentan nicht mehr, in der Schule zu fehlen. Heute musste ich zu meinem Hausarzt, das war leider dringend, und das hatte ich jetzt drei Wochen lang vor mir hergeschoben, damit kein Unterricht ausfällt (Eltern: Keine Sorgen machen!). Das ist durch Urologen und Psychiater in diesem Jahr bereits zu oft passiert, und wann immer möglich, versuche ich Arzttermine auf meinen "freien Tag" (den Konferenztag als freien Tag zu bezeichnen, ist zynisch) zu legen - oder, so wie in zwei Wochen, auf den Freitag nach meinem Unterricht. Da muss ich dann zwar von der Schule direkt zum Bahnhof, direkt nach Neumünster in die Psychiatrie hetzen, und es irgendwie schaffen, während der Zugfahrt von Schule auf privat umzustellen, aber so ist es eben.
Die Berichterstattung über den Lehrermangel macht es mir da nicht einfacher; im Kopf wird fest verankert: Es darf kein Unterricht mehr ausfallen! Da helfen auch keine Aufgaben über's Internet - die ich zum Beispiel heute herumgeschickt habe: Die SchülerInnen, deren Eltern am lautesten über den Unterrichtsausfall jammern, nutzen nicht die Gelegenheit, die Aufgaben zu bearbeiten und mit mir online zu besprechen. Dahinter steckt vielleicht auch das Bewusstsein, dass Zeitaufwand für Schule auf SchülerInnenseite nur während der Schulzeit geschehen darf. Und bei einer gebundenen Ganztagsschule ist da auch ein Körnchen Wahrheit drin.
Trotzdem klöppelt sich in meinem Kopf dieses Bild zurecht: Ich, die Lehrkraft, muss perfekt sein. Es gibt Gesprächsbedarf seitens der Eltern - glaubt Ihr, irgendjemand von jenen ist vorgestern zum Elternsprechtag gekommen? Es wird Übungsbedarf seitens der SchülerInnen geäußert - glaubt Ihr, irgendjemand von jenen nutzt das zusätzliche Übungsangebot?
Was mich heute tatsächlich trübsinnig stimmt, ist der Ausfall meiner Stunden im elften Jahrgang. Wir wollen in den nächsten Wochen die Shirley Jackson-Flanagan-Verfilmung The Haunting of Hill House (2018) anschauen und analysieren, dazu Literaturgenres erarbeiten - Schwerpunkt auf gothic fiction - außerdem, wie man eine systematische Charakterisierung anfertigt. Und da haben wir jetzt endlich donnerstags eine Doppelstunde Englisch (ist dafür dringend nötig) und müssen den Start um noch eine Woche verschieben. Dabei liegen die character sheets der Hauptfiguren hier fertig neben mir und ich bin extrem gespannt darauf, wie die Klasse auf die Serie reagiert.
Was sich in meinem Kopf derzeit ebenfalls verfestigt ist, dass der gesamte Unterrichtsausfall immer der Lehrkraft selbst anzulasten ist. Auch wenn LehrerInnenverbände immer wieder betonen, dass die Bildungsministerien sich vielleicht einmal Mühe geben sollten, zumindest eine 100%ige Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Die Kultusministerkonferenz kläfft gegenan, dass sich die Lehrkräfte nicht so anstellen sollen, dass sie einfach mehr Yoga und Entspannungsübungen treiben sollen und gefälligst nicht mehr in Teilzeit arbeiten. Ist es da ein Wunder, dass das Berufsbild leidet? Wenn mit solch' einer Penetranz gefordert wird, dass LehrerInnen nicht solche Weicheier sein sollen?
Zeit für die Entspannungsübungen, damit ich nicht mehr krank simuliere.
Und Ihr so?
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