And so it's come to this: Rauchschwaden über Hamburg (Quelle) |
Es knallt. Es brennt, es fackelt, es raucht, es splittert. Es tobt ein Krieg. Rauchschwaden, zertrümmerte Fensterscheiben, aufgerissene Gehwege, verkohlte Autokarosserien, Straßenreinigung. Fassungslose Müllmänner. Kopfschüttelnde Passanten, weinende Anwohner. Müll, Trümmer, Asche - und der Schwarze Block zieht weiter, denn der zweite Tag des G20-Gipfels hat gerade erst begonnen. Und während drinnen Konzerte gehört werden, Zusammenhalt gegen Protektionismus demonstriert wird und ein pommesgelber Präsident Egozentrik lebt, zeigen draußen ein paar feige vermummte linksradikale Autonome ihre Auffassung vom Demonstrationsrecht - indem sie sich Autos unbescholtener Anwohner vornehmen, die Fensterscheiben einschlagen, Bengalos hineinwerfen und die Wagen schließlich in Flammen aufgehen lassen. Rauchschwaden über Hamburg - seid Ihr sicher, dass Ihr damit der Armut in der Welt entgegenwirkt? Dass Ihr damit gegen Trumps Politik gegenankommt? Dass Ihr damit den Klimawandel stoppt?
Und gestern dachte ich noch ernsthaft, dass ich die Ereignisse in Hamburg nicht weiter kommentiere. Weil das bereits genügend Medien tun, und weil ich keine Ahnung vom politischen Spektrum habe. Allerdings habe ich einen Namen gelesen, Iris Schneider, sowie den Namen der Straße Schulterblatt in Hamburg und jenen der Roten Flora. Und in meinem Kopf musste ich das Ganze zu einem passenden Ganzen verknüpfen, und das beginnt mit einer Bahnfahrt vor etwa zwanzig Jahren. Ich sitze im Zug nach Berlin, zu meiner verrückten, fantastischen Tante.
Zum ersten Mal allein, ohne meine Ma - wie aufregend. Und so sitze ich hellwach auf meinem Platz, blicke die ganze Zeit um mich herum aus den Fenstern und nehme die Eindrücke wahr. Und so fahre ich auch durch Hamburg und sehe, wie jedes Mal, das große Konzerthaus der Neuen Flora. Das fand ich immer wieder faszinierend, und heute weiß ich auch, warum sie neu ist - weil es nämlich ein ursprüngliches Floratheater woanders gab, nämlich am Schulterblatt 71. Im Hamburger Schanzenviertel. Seine Geschichte beginnt im neunzehnten Jahrhundert, interessiert mich aber erst so richtig ab den ausgehenden 1980ern, als es nämlich von der autonomen Szene besetzt worden ist. Links. Und so wurde aus der Flora - logisch - die Rote Flora. Bis heute besetzt, und auch heute noch eines der wichtigsten Zentren der autonomen Szene. Ausgangsort vieler kultureller Veranstaltungen - Schauplatz eines sozialen Brennpunktes mit allen dazugehörigen Facetten. Auch den radikalen.
Und so gab es seit Gründung des Zentrums immer wieder Einsätze undercover, so auch in den Neunzigern von Iris Schneider - so der Tarnname der Ermittlerin, die sich dort eingeschlichen hat. Man mag von den linksradikalen Aktionen halten, was man will, aber jener Einsatz bewegte sich hart an der Grenze des rechtlich Möglichen. Leider auch jenseits dieser Grenze, und so klinkte Iris Schneider sich per Liebesbeziehungen in die Szene ein, verletzte Persönlichkeitsrechte, und man muss sich fragen, wie weit Ermittler gehen dürfen. Geltendes Recht wird offensichtlich rund um die Rote Flora auf beiden Seiten gebrochen. Nicht nur durch Iris, da gab es immer wieder welche, über die Jahre verteilt, sie nannten sich Stefan, Maria, Astrid, und garantiert noch mehr - und die Besetzer der Roten Flora entschieden sich, Portraits der Ermittler auf die Gebäudewand zu plakatieren.
Wo verläuft die Linie des Rechts? Wie weit darf man gehen, um Polizeigewalt zu enttarnen? Wie weit darf man gehen, um das "Staatswohl" zu sichern?
Hamburg brennt - und während niemand sich von Verantwortung freimachen kann, muss man wohl oder übel feststellen, dass das alles absehbar war. Wie leichtsinnig war es, eine solche Veranstaltung in eine Metropole zu legen? In eine, die das gesamte politische Spektrum schillernd widerspiegelt? Die Polizei und die Demonstranten sind ihrem "Wesen" gefolgt - und letztlich wird sich dafür Bürgermeister Olaf Scholz verantworten müssen.
post scriptum: Diese Worte von Ende Juni wird man ihm um die Ohren schlagen - "Sie werden am zweiten Tag staunen und sich wundern, dass der Gipfel schon vorbei ist!" Ich kann mir nur ausmalen, wie viele Menschen sich jetzt (am Samstagnachmittag) das Ende herbeisehnen... irgendwie ist bezeichnend, dass das Konzert in der Elbphilharmonie stattfand - die zwar toll, aber ein weiteres Mahnmal fehlgelenkter Ideen (auf Kosten der Steuerzahler) ist - der nächste G-Gipfel wird dann vielleicht in Berlin stattfinden, auf dem Gelände des BER-Flughafens, das bis dahin voraussichtlich immer noch nicht für den Flugverkehr freigegeben sein wird. Irgendwas läuft bei diesen Möchtegern-Machtdemonstrationen falsch; vielleicht hätte "Iris Schneider" lieber an diesen Schauplätzen ermitteln sollen...
Tagebuch-post scriptum: Doppelt blöder Start in den Samstag - ich habe verschlafen und damit die Demo im Rahmen des Kieler CSD verpasst. Das ist mir eigentlich immer recht wichtig, zu zeigen, dass es "uns" gibt, "anders" liebende Menschen. Und darüber hinaus stelle ich beim Durchsuchen der Wohnung fest, dass ich mein Original-Schwimmbad nicht mehr finde. So eine Scheiße! Letzter Versuch: Mit der Taschenlampe runter in den Keller, wo dreckig is'... großer Mist, findet sich nicht wieder an. Dann nutze ich das als Chance, entwerfe das Schwimmbad aus dem Kopf neu und schreibe nebenbei die Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Schüler. Passt. Aber erst morgen, I'm putzing, don't stop me!
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