vorweg: Dieser Text klingt etwas verbittert. Er wurde in derselben Stimmung verfasst wie dieser hier. Das hat aber auch Gründe, und viele Junglehrer werden diese Gründe verstehen.
Ich arbeite für ein System, in
dem es nicht auf Qualität ankommt, nicht auf Beliebtheit, Examensnoten oder
dienstliche Beurteilungen. Ich arbeite für ein System, in dem eine Lehrkraft
auf ihre Fächerkombination reduziert wird – es besteht ein Bedarf oder nicht.
Ich arbeite in einem System, in dem die Chancen für externe Bewerber gleich
null sind, wenn die Schule einen hausinternen Favoriten hat. Es ist ein System,
das befristet angestellten Lehrkräften keinerlei Sicherheiten bietet – und unser
Bildungsministerium ist darauf sehr stolz.
Von meinen mittlerweile elf
befristeten Arbeitsverträgen in etwas mehr als fünf Jahren war derjenige in
Brachenfeld der einzige, der über mehr als sechs Monate lief. So konnte ich an
dieser Schule insgesamt dreizehn Monate bleiben und muss nun leider auf diese
Zeit als eine Zeitverschwendung zurückblicken.
Ab der vierten Schule nach dem
zweiten Staatsexamen überlegt man sich vielleicht schon einmal, ob es bei einer
Bewerbung an einer Schule eine Bleibeperspektive gibt – und sagt, wenn man eh’
schon in der Arbeitslosigkeit ist, nicht jedem beliebigen Arbeitsangebot zu,
denn was nützt es? Ich kann keine privaten, langfristigen Planungen angehen.
Und ich wünsche mir langsam nichts mehr als eine Perspektive.
Wenn diese Perspektive hier nicht
bestanden hätte, hätte ich die Stelle bei Euch nicht angetreten. Nun sieht es
aber leider doch so aus, dass ich nicht mehr gebraucht werde. Und damit habe
ich über ein Jahr Zeit vergeudet, und das wird mir niemand ausreden können.
Erfahrungen sammeln? Ganz ehrlich, auf solche Erfahrungen kann ich verzichten. Besonders
die Voreingenommenheit mancher Lehrkräfte hat mich erschrocken. Gutes bei den
Schülern bewirken? Wozu, wenn es am Ende wieder nur heißt „Du wirst bestimmt
leicht eine neue Stelle finden!“
Diesen Satz empfinde ich
mittlerweile als Hohn und ich kann ihn nicht mehr hören. Das hat mit der
Realität da draußen nichts zu tun.
Eine neue Schule bedeutet ein
komplett neues Umfeld. Wieder muss ich mich mit dem Gegenwind im Kollegium
konfrontiert sehen, den ich auch hier hatte. Wieder muss ich lange warten,
bevor mehrere Kollegen meine Arbeit als positiv registrieren und nicht als
Bedrohung (wenn sich jemand angesprochen fühlt: Das geht nicht persönlich gegen
Euch, nicht an dieser Stelle). Wieder wird man mich, voreingenommen von
Oberflächlichkeiten, wie einen Praktikanten behandeln, der keine Ahnung vom
Unterrichten hat, und der offensichtlich noch nie in einer Konferenz gesessen
hat, wieder werde ich mir Zurechtweisungen in meine Kompetenzschranken anhören
dürfen. Wieder werde ich mich komplett erklären müssen, mit all’ den Sachen,
die in meinem Leben anders laufen, und wieder muss ich mir einen Satz anhören:
„Das geht uns doch allen so.“ Und: „Das klingt ziemlich unglaubwürdig.“ Und
dann, wenn mal etwas nicht funktioniert, heißt es „Warum hast Du uns das nicht
gleich gesagt?“ Und ich wünschte, ich hätte mir diese drei Sätze selbst
ausgedacht.
Ich empfinde die Entwicklung der
Situation als zynisch, weil ich gerade in der Phase aus dieser Schule gerissen
werde, in der ich anfange, wenigstens ein paar mehr Kollegen zu vertrauen et vice
versa. Ebenso zynisch scheint es mir, dass ich mittlerweile längst eine
Planstelle hätte, wenn ich nicht diverse Ehrenämter und Nebenaufgaben in meinem
Studium gemacht hätte – immer vor dem Tenor, dass sich das gut im Lebenslauf
macht. Ihr wisst selbst, dass das leider Unsinn ist.
Nur, um ein wenig das Verständnis
zu schüren, wie es auch laufen kann: In meiner vorletzten Schule in
St.Peter-Ording war der Fachbedarf an Englisch und Latein reichlich gedeckt.
Trotzdem hat man mit allen Mitteln (und mehr) versucht, mich an der Schule
unterzubringen, und es hat auch geklappt. Es finden sich immer Möglichkeiten,
die gewünschten Kandidaten in das Kollegium zu bekommen, hat man mir gezeigt.
Auch wenn dort meinetwegen eine langjährige Kollegin gehen musste. Ich kenne
diesen Satz „Wir brauchen Dich dringender“ aus beiden Perspektiven, diesmal
wieder als der, der geht.
Ich realisiere mit jeder weiteren
Schule und mit jedem neuen Arbeitsvertrag, dass es umso unmöglicher wird,
Wunschkandidaten zu behalten, je näher sich eine Schule an Kiel befindet.
(Natürlich vorausgesetzt, dass man überhaupt Wunschkandidat ist)
Ich nehme nicht an der
Verabschiedung teil; mir erschließt sich der Sinn nicht. Wozu soll ich mir die
– entschuldigung – jeder Grundlage entbehrenden „Viel Erfolg“-Sprüche anhören?
Wozu soll ich den Kollegen, die meine Stelle einnehmen, gespielt ruhig ins
Gesicht schauen? Ich habe dieses Theater mehrmals mitgemacht, zweimal gern,
weil es meine Entscheidung war, die jeweilige Schule zu verlassen. Diesmal ist
es wieder anders, und ich möchte niemandem irgendwelche Sätze entgegenbringen,
die er oder sie vielleicht nicht verdient hat. Ich möchte hier keine persönlichen
Vorwürfe machen, wenngleich ich weiß, dass manch’ einer sich in diesen Zeilen
wiederfindet.
Ich hätte die Sache allerdings
vielleicht etwas besser weggesteckt, wenn die Lage transparent kommuniziert
worden wäre – und wenn Absprachen eingehalten worden wären. Aber das wissen die
Zuständigen bereits.
Ein paar von Euch werde ich sehr
vermissen – die „Frau vom Zauberwald“, „Frau Reichelt“, Deike, SLH, Frau „Lost
Souls“ und wohl auch ein paar andere.
Euer Englisch/Latein
post scriptum: Da wundert es niemanden, wenn ich manchmal etwas sehnsüchtig auf die Kollegen an Alternativschulen blicke.
post scriptum: Da wundert es niemanden, wenn ich manchmal etwas sehnsüchtig auf die Kollegen an Alternativschulen blicke.
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