Um meine Hirntätigkeit während der Arbeitslosigkeit auf etwas Sinnvolles zu lenken, habe ich mir überlegt, einen kleinen Fortsetzungsroman zu schreiben. Früher, in meiner Jugend, habe ich das sehr gern gemacht und dabei auch zwei Romane und mehrere kleinere Schriften zu Papier gebracht. Das Ziel ist dabei gar nicht, irgendwelche Leser damit anzusprechen oder gar einen Verlag zu finden. Für mich ist es wichtig, dass ich meine kreative Energie produktiv nutzen kann - wie ein Ventil. Ist so ganz nebenbei ein Tipp für alle Lehrkräfte mit hochbegabten Schülern: Gebt ihnen etwas, woran sie sich kreativ austoben können. Futter für's Gehirn. Wenn sie keinen Bock auf Euren Unterricht haben, nützt es nichts, sie trotzdem zur Teilnahme zu zwingen. Macht ihnen klar, dass die Inhalte zur Klassenarbeit sitzen müssen und dann stopft ihnen den Kopf mit Füllmaterial; Aufgaben zum Intelligenz"training" funktionieren hier wunderbar!
Nun also diese Geschichte, der ich jedes Mal einen Disclaimer voranschiebe, damit keiner denkt, sie habe irgendwas mit der Realität zu tun. Manch ein Mensch nimmt das alles hier womöglich zu ernst, das können wir ja nicht zulassen. Genug Numeruswechsel, also geht es hier los mit dem ersten Teil - der allerdings nur sehr, sehr kurz ist, um als Prolog quasi in die Thematik einzuführen. Und wehe, jemand glaubt, er könne dann morgen den zweiten Teil erwarten - lasst Euch überraschen, es wird auf jeden Fall weitergehen.
Disclaimer: Diese
Geschichte ist Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen und
Ereignissen sind rein zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt. Das wäre ja
sonst ein roman à clef, und zu solchen literarischen Kunststückchen ist der
Autor sicher nicht fähig.
Identität – die
Geschichte von Timo und Julian
part 1
„Dreißig Jahre alt, und, fühlst du dich jetzt irgendwie
anders?“
Sie fragt gern
ganz direkt. Ich weiß das zu schätzen, denn ich habe mittlerweile die Nase voll
von indirekten Fragen, Andeutungen und alledem. Warum machen manche Menschen es
sich so schwer? Warum sprechen sie nicht klar und deutlich aus, was sie denken?
Es gibt da etwas, das nennt sich Diplomatie, und sie gebietet uns, mit unserer
Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit etwas sparsamer umzugehen. Die Wahrheit kann
sehr verletzend sein. Ich bin ab und an völlig unfähig, diplomatisch zu
agieren.
Ich muss wohl
etwas zu lange in mein Glas gestarrt haben, denn sie wiederholt ihre Frage.
„Ich weiß
nicht. Es wird immer so ein Wirbel um die Null gemacht, manche feiern ihre
Geburtstage neunundzwanzig, neunundzwanzig-b, neunundzwanzig-c, zweiunddreißig.
Als wäre es tatsächlich so etwas wie ein Todesurteil. Ich fühl’ mich jedenfalls
nicht tot, im Gegenteil, ich bin puppenlustig und neugierig. Es kommt mir ein
bisschen so vor, als ob jetzt eine abenteuerliche Phase meines Lebens beginnt.“
Ich ahne noch
nicht, wie sehr das zutreffen sollte. Meine Tante lächelt mich an.
„Hast du denn
schon bestimmte Abenteuer im Blick?“
„Ich wäre
erstmal froh, wenn ich das Referendariat überstehe.“
„Na komm, so
unglücklich siehst du auch wieder nicht aus.“
„Aber ich
hasse es. So viele Menschen, denen ich es recht machen muss. Studienleiter
eins, Studienleiter zwei, Mentoren eins und zwei, Schulleitung,
Ausbildungsgruppe… ich vergess’ bald noch, wer ich eigentlich bin, so sehr
verbiege ich mich in diesen Lehrproben. Vor dem Ref war es schöner, da habe ich
einfach unterrichtet, wie es mir gefällt. Das hat allen Beteiligten gefallen.
Und jetzt erkenne ich mich selbst in meinem Unterricht nicht mehr wieder.“
„Ein halbes
Jahr noch, dann ist es geschafft. Und die schlimmste Phase hast du hinter dir.
Und denk dran, dass du Menschen hast, die dich unterstützen, wo es nur geht.“
Wie könnte ich
das vergessen. Es sind nicht viele Menschen, ich habe nicht viele Freunde, aber
mit den wenigen verbindet mich eine sehr enge Beziehung. Und in diesem Sommer
ist einer dazugekommen. Ich befinde mich momentan in einem Gefühlssturm,
ausgelöst durch einen Tag im Park mit ihm. Mit Julian.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen