Nach zwei Arzttagen war gestern eine Verschnaufpause dran. Mein Termin lautete "ab mit dem Kopf", andere Menschen nennen es "Friseurtermin". Ich war also endlich wieder unten bei Tina, und die Haare mussten wirklich dringend ab, die Schwitzerei am Kopf hat doch sehr genervt. Außerdem ist meine Erfahrung, dass ich mich mit kurzen Haaren wesentlich leichter fühle, und so sollte es auch diesmal sein.
Und wie das nun mal so ist, haben Tina und ich ein bisshen während der Schneiderei getratscht. Ja, Autisten sind keine großen Fans von belanglosem Smalltalk, und das trifft auch auf mich zu. Dadurch, dass Tina und ich aber im selben Haus "wohnen", findet man immer gemeinsame Gesprächsthemen - der Vermieter, die neue Straße, das Überleben in der Hitze. Und ich wollte die Chance nutzen, um ihr eine wichtige Frage zu stellen: "Sag' mal, Tina, Du siehst mich ja meistens in gewissen Zeitabständen und kannst das daher besser beurteilen als ich: Wie sehe ich aus im Vergleich zu ein paar Wochen? Würdest Du sagen, dass ich wieder etwas gesünder aussehe?" Und die Antwort hat mich sehr gefreut:
"Also, Du hast endlich wieder etwas mehr Gesicht, und vor allem auch wieder etwas mehr Farbe im Gesicht. Davor... Du sahst aus wie... darf ich das sagen?" - "Ja bitte, für mich ist es wichtig, das zu wissen, denn ich fühle mich, als ob ich immer gleich aussehe." - "Okay, also, du sahst aus wie... der Tod." Damit hat Tina mir meinen Verdacht bestätigt: Ich setze endlich wieder etwas mehr Fett an, und ich habe nicht mehr diese extreme Eisenmangelanämie - Blutarmut. Es dauert zwar sehr lange, die Eisenspeicher wieder aufzufüllen, aber erste Erfolge sind offensichtlich zu sehen. Ich weiß noch, wie ich mein Foto an der Kollegiumswand der letzten Schule gesehen habe.
Damals war ich sehr erschrocken, denn es waren wirklich nur noch Haut und Knochen, man konnte meinen Schädelknochen sehr gut ausmachen, und meine Haut spannte sich wie ein nasses Tuch darüber. Das war wirklich schlimm. Umso glücklicher bin ich, dass ich zwar mit kleinen, aber durchaus progressiven Schritten dem Ziel näher komme, in meine erste Remissionsphase einzutreten, in der ich (jetzt seit etwa zehn Tagen) ohne Koliken auskomme und mein Körper wieder Nährstoffe aufnehmen kann.
Ich bin im Moment sehr glücklich über meinen Colitis-Gesundheitszustand. Über die Zähne reden wir ein anderes Mal.
Oh, und als kleine Lustigkeit nebenbei habe ich Tina von meinem Stabmixer erzählt, und wie praktisch der ist für leicht verdauliche Gerichte. Dann meinte ich zu ihr, dass meine nächste Anschaffung für die Küche eine Heißluftfritteuse sein soll. Die könnte auch praktisch für die Krankheit sein, denn ich kann darin Dinge ohne oder mit minimalem Fettverbrauch backen. Gefülltes Gemüse, selbstgemachte Pommes, Aufbackbrötchen, you name it. Und wie es der Zufall so will, haben Tina und ihr Mann genau das Exemplar, das ich mir schon seit Monaten zulegen möchte, einen Ninja Airfryer. Das wird aber auch mindestens noch ein paar Monate dauern, denn das Teil kostet zwischen 100 und 150 Euro. Das bedeutet bei Bürgergeld eine ganze Zeit sparen, aber was lange währt, wird dann endlich gut. Vorfreude!
Also, liebe Eltern, Ihr dürft aufatmen, mir geht es immer besser und das Schlimmste ist erstmal überstanden ;-)
post scriptum: Hui... ich habe den halben Tag lang geschlafen, immer wieder so in zwei-Stunden-Blöcken. War wohl doch wieder ein ordentliches Schlafdefizit angefallen; ich hoffe, dass ich irgendwann mal wieder eine ganze Nacht durchschlafen kann. Das war jetzt seit zweieinhalb Jahren nicht der Fall, aber wenn ich so betrachte, wie sich mein Gesundheitszustand in kleinen, aber realen Schritten verbessert, dann könnte es vielleicht ja noch einmal dazu kommen. Damit ist natürlich die nächste Arztterminmachung heute in's Wasser gefallen, aber ich nutze die Zeit, um endlich meinen ehemaligen SchülerInnen zu antworten. Wenn es mir nicht gut geht, kann ich mich einfach nicht dazu aufraffen, auch wenn es tolle Mails sind und aufregende Dinge, die sie mir zu erzählen haben, gerade, wenn es um ihre Gender-Selbstfindung geht, egal, ob nicht-binär oder trans oder welche Form auch immer. Es gibt mir ein schönes Gefühl, zu sehen, wie erleichtert sie oft sind, wenn sie ihr "wahres" Ich gefunden haben. Ich weiß ja selbst, was das für eine seelische Erlösung geben kann...
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