Mittwoch, 25. September 2024

Sechs Stunden Brennpunkt


"Bei der Klasse, da musst du aufpassen, das könnte etwas schwieriger werden - wir helfen da auch gern weiter. Da sitzt nämlich ein Leistungsverweigerer drin."

Heute kann ich über die Sorge nur noch schmunzeln, aber damals, in meinem nullten Semester - und an jener Schule - war das schon etwas ganz Besonderes und ein großes Hindernis für manche KollegInnen. Mittlerweile bin ich ein paar Schularten weiter, und einen Leistungsverweigerer je Klasse zu haben, das ist schon ein Luxus. "Ich kann kein Englisch" wird gern als Rechtfertigung genommen, es gar nicht erst zu versuchen. Oder es kommt ein einfaches "Nö, mache ich nicht" zurück. Da wird man als Lehrkraft auf die Probe gestellt - und dabei sind wir noch nicht einmal in der Kategorie Unterrichtsstörungen angekommen.

Sowas lässt sich aushalten - im Gegenteil, für Manchen ist das sogar eine Herausforderung, an der man wachsen kann und der man sich gern stellt. Das hat allerdings auch seinen Preis, und für mich gilt: Sechs eigenverantwortliche Stunden an einer Perspektivschule sind genug für einen Tag. Ich bin danach physisch völlig ausgelaugt, und ich realisiere das erst, wenn ich zuhause ankomme und den Rest des Tages zombiefiziert verbringe. Ich schaffe nichts mehr, es geht nur noch um Selbsterhaltung - und dann kommt der nächste Tag.

Ich liebe diesen Job - aber unter der Woche bin ich für Außenstehende quasi nonexistent. Meine Freunde wissen das und ich danke ihnen für die Geduld. Ich weiß auch, dass das nicht nur Menschen auf dem Spektrum so gehen kann - auch hochsensible Menschen werden stark ausgelaugt und brauchen viel Zeit, um die Eindrücke eines Tages zu verarbeiten. 

Ich wünsche Euch, dass Ihr diese Zeit findet, damit Ihr euren Job auch noch lange lieben könnt :-)

Freitag, 20. September 2024

Ich kann Dich glatt durchschauen!


Heute ist der zehnte positive Testtag, allerdings mit einer kleinen Variation: Der Teststrich ist nur noch ganz dünn zu sehen. Ob das damit zusammenhängt, dass das Virus mich langsam in Ruhe lässt? Ich würde es mir ja wünschen, aus mehr Gründen als nur den Schluckbeschwerden.

Montag geht es endlich zurück in die Schule, und nachdem ich fast zwei Wochen ausgefallen bin, habe ich etwas Angst, dass ich mich wieder wie ein Fremder fühlen werde, und ich habe ein richtig schlechtes Gewissen meiner Zweitbesetzung gegenüber. Und dann kommen wir möglicherweise gerade wieder in den Schulrhythmus, und dann sind auch schon Herbstferien. Den ersten Leistungsnachweis sollte man gern vorher abgehakt haben - dann werde ich mich mal darauf berufen, dass alles mit einer Bearbeitungszeit von einundzwanzig Minuten oder länger als Klassenarbeit gilt. Ich hoffe mal, dass wir genug Stoff dafür zusammenbekommen.

Das ändert nichts daran, dass ich mich heute noch ziemlich krank fühle, die Nase läuft ununterbrochen, und nach einer Stunde bin ich schon wieder reif für's Bett.

In jedem Fall wünsche ich Euch, die Ihr auch gerade von Corona betroffen seid, eine schnelle Genesung oder zumindest einen milden Krankheitsverlauf!

Sonntag, 15. September 2024

Immer das Positive sehen

Das werden wir so schnell nicht wieder los...

Ich weiß noch, wie darüber gewitzt wurde, auf dem Kennenlerntreffen, wie die neuen Lehrkräfte sich im Bazillenherd Schule direkt eine Krankheit einfangen würden, und dass deswegen der Vertretungsplan großen Schwankungen unterliegen kann.

Dass ich selbst Corona bekommen würde, damit hatte nich nicht gerechet. Die ersten zwei Tage dachte ich nur, es sei Fieber, aber meine Hauarztpraxis hat mir empfohlen, sicherheitshalber einen oder zwei Schnelltests zu machen, und siehe da: Positiver Teststreifen auf mittlerweile sechs Tests, flachgelegt bis Mitte nächster Woche, und dann kann ich mich hoffentlich freitesten.

Interessantes Ding mit den Symptomen: Das Fieber war schnell wieder weg, aber die Halsschmerzen sind enorm und ich muss morgens erstmal eine Kanne Tee trinken, bevor ich irgendwas Festes schlucken kann, ohne dass es mir im Hals steckenbleibt. Ansonsten Kopfschmerzen, Schwäche in den Armen, und die meiste Zeit liege ich auf der Couch und warte auf Besserung.

Toi toi toi, dass es niemanden von Euch erwischt!

Samstag, 7. September 2024

Die erste Schulwoche


Meine Waschmaschine kommt kaum hinterher - wobei das Hauptproblem darin liegt, dass die Wäsche nicht schnell genug trocknet, um die nächste Ladung aufzuhängen. So ist es eben, wenn unter der Woche die Sachen liegen bleiben. Und das wiederum passiert, gerade bei sensiblen Menschen, wenn sie an einer turbulenten Perspektivschule arbeiten, und das auch noch in Vollzeit.

Aber so voll der Stundenplan auch sein mag, so erfüllend ist die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in schwierigen Situationen. Es ist physisch auslaugend, nach jedem sechsstündigen Schultag falle ich zuhause um und brauche Regeneration und Meditation - es fühlt sich an wie damals in St.Peter-Ording. Wenn man sich dann zwischendurch auch noch den Fuß verknackst und in kleinen Schrittchen über den Schulhof humpelt, dann ist das doppelt anstrengend - aber alles auf dem Weg der Besserung.

Nun ist es also wieder soweit, das gegenseitige Beschnuppern mit dem neuen Kollegium und der neuen SchülerInnenschaft. Jede neue Lehrkraft bekommt einen Partner an die Seite gestellt, wie ein Mentor, das ist eine nette Idee - und weil wir als Perspektivschule gefördert werden, sind in den I-Klassen (bei uns 75% der Jahrgänge) fast alle Stunden im Plan doppelt und einige sogar dreifach besetzt. Das entlastet mich als Lehrkraft ungemein, dazu kommt der I-Klassenteiler von zwanzig und ich habe eine Mannschaft an Kiddies da, die ich bändigen kann. Ich wünschte, ich könnte immer so arbeiten.

Ich kann gar nicht verstehen, dass es Schulen gibt, die keine Perspektivschule sein wollen, denn "das schade ja dem Image der Schule"...

Aber natürlich steht dann an jedem Wochenende der Blick in's Internet an - gibt es irgendwo eine neue passende Planstelle? Das Dilemma, wenn man nicht das Richtige studiert hat. 

Schon der erste Tag in der neuen Atmosphäre hat gut getan:

Montag

Jetzt ist es wieder so weit, nach dreizehn Monaten Regungslosigkeit. Mit einem aufgestockten Stundenplan in der Hand, war es heute Zeit für eine Art Einstimmungstreffen der neuen Lehrkräfte und Schulleitung. 

Ich muss zugeben, ich hatte etwas Angst im Gepäck, als ich morgens im Bus zur Schule gesessen habe. Nagende Zweifel, würde ich nach so langer Pause wieder in die Arbeit reinkommen, kann ich gleich mit so vielen neuen KollegInnen und Räumen und SchülerInnen starten?

Am Ende des Treffens habe ich mich dort richtig wohl gefühlt, willkommen und gut aufgehoben. Auf dem Weg zur Bushaltestelle bin ich dann noch mit drei Schülern in's Gespräch gekommen, Mittelstufe, sehr sympathisch, die auch recht zügig zur Frage gekommen sind, ob ich Frauen oder Männer mag. "Beides", habe ich ihnen dann erklärt, weil ich mich nicht unnötig festlegen will, und damit war das geklärt. 

Die Jungs haben mich dann noch darüber aufgeklärt, was es mit der Modemarke Balenciaga auf sich hat, weil sie dachten, meine Schuhe (New Rock Boots) seien vielleicht von denen. Und einer von ihnen hatte ein Oberteil von Dior. Kleine Nachwuchs-Talahons ;-)

Und so bin ich hier kaputt zwischen Wäschestapeln und Post und arbeite alles Liegengebliebene nach und nach ab, und vielleicht kann ich mich morgen endlich von meinem Bart trennen. Der ist entstanden, weil ich zum Rasieren zu schlecht sehen konnte. Die Entzündung der Augen geht immer weiter zurück und ich kann wieder besser sehen, man könnte fast sagen, es geht in jeder Hinsicht gut voran.

Ich hoffe, dass Eure erste Schulwoche mehr war als nur "zurück in den alten Trott". Ich wünsche Euch, dass Ihr von Euren Kiddies genau so viel zurückbekommt, wie Ihr investiert, und auch wenn es manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen wirkt und man sich fühlt, als käme man kaum voran: Die Kleinen wissen diese Anstrengungen zu schätzen, wenn man erstmal einen Zugang zu ihnen gefunden hat.

Habt viel Spaß, und es ist nicht mehr lang bis zu den Herbstferien ;-)