Sonntag, 28. September 2025

Stolz wegen einer Kleinigkeit


Da wäre ja noch der andere gesundheitliche Punkt, dessentwegen ich mich lange nicht gemeldet habe - die colitis ulcerosa. Nach den ersten Infusionsterminen ging es mir deutlich besser, ich war richtig erleichtert, ich habe endlich wieder angefangen, Horrorfilme zu schauen - bei mir ein Zeichen dafür, dass ich psychisch fit bin. Dann kam allerdings der Rückfall: Die Remissionsphase hatte ein Ende, und plötzlich musste ich wieder zwischen acht und zwölf mal am Tag zur Toilette, und an Schlaf war des Nachts nicht zu denken. Das hat mich echt fertig gemacht. Zum Glück konnte ich bei meinem nächsten Termin bei der Gastroenterologin das Thema zur Sprache bringen und wir sind zum Schluss gekommen, dass die Intervalle zwischen den Infusionen zu schnell vergrößert wurden. Also haben wir den Terminplan etwas aktualisiert.

Montag war ich wieder da, pieks tropf tropf tropf spül, und heute, einige Tage später, spüre ich, wie es mir wieder besser geht. So gut, dass ich Lust auf Dinge habe - wie zum Beispiel aufräumen. Es ist Sonntag, zehn Uhr morgens, und ich habe die Wäsche gewaschen, aufgehängt, Müll rausgebracht, Antrag auf Zuzahlungsbefreiung fertig gemacht, diesen Artikel geschrieben. Das freut mich riesig, ich bin total stolz, auch wenn das eigentlich nur Kleinigkeiten waren. Aber wenn etwas auf der Seele lastet, kann das für einen totalen Stillstand sorgen; vielleicht kennt ja der eine oder die andere von Euch das. 

Jetzt werde ich den Rest des Sonntags richtig genießen, und mich auf morgen freuen, wenn ich meiner GE mitteilen kann, dass die Infusion angeschlagen hat und wir mit der Kortison- (bzw. Prednisolon)dosis wieder etwas runtergehen können. Ich bin erleichtert, und wenn auch das Aufräumen in der Wohnung sehr langsam vorangeht - wie heißt es? "Auch eine Reise von zehntausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt."

Danke an alle von Euch, die an mich glauben, auch wenn ich mich Euch gegenüber momentan unmöglich verhalte. Ich bereite mir jetzt mal ein leicht verdauliches Mittagessen zu, nach dem mein Magen hoffentlich nicht explodieren wird. ;-)

post scriptum: Song of the day aus einem Filmsoundtrack <3 (I Saw the TV Glow)


 

Montag, 22. September 2025

Alien im Zahnarztstuhl


Tot bin ich noch nicht. Dass ich mich genau einen Monat lang nicht gemeldet habe, hat verschiedene Gründe - immer noch der allgemeine Frust über die Jobsituation und dass Schleswig-Holstein sich derzeit nicht in der Lage sieht, neue Lehrkräfte einzustellen, außerdem eine Art Schamgefühl, weil ich auf viele Mails nicht geantwortet habe - das summiert sich - und dann gibt es da noch gesundheitliche Gründe.

Eine Thoraxprellung vor ein paar Wochen wäre keine Ausrede gewesen, warum ich hier nichts mehr geschrieben habe. Sie hat das Atmen und die Rückenlage etwas unangenehm gemacht, aber es gibt ja Medikamente und so eine Prellung dauert nicht ewig. Problematischer wird es da bei den Zähnen. Mir ist ein Backenzahn dergestalt auseinandergebrochen, dass er das Prädikat nicht erhaltungswürdig bekommen hat. Bedeutet: Der muss raus, genauer gesagt das, was von ihm noch übrig war.

Für einen Autisten der Horror: Eine unbekannte Situation. Mir ist noch nie bei vollem Bewusstsein (aber natürlich reichlicher Betäubung) ein Backenzahn gezogen worden. Wie sieht das aus, wie fühlt sich das an? Meine vier Weisheitszähne sind mir zusammen unter Vollnarkose herausoperiert worden, davon hatte ich nichts weiter mitbekommen - aber klar war natürlich, dass ich an jenem Tag ein Beruhigungsmittel vorher brauchen würde, denn diese Angst vor unbekannten Situationen kann niederschmettern.

Von Tag zu Tag ist diese Panik gewachsen, das war echt kein schöner Zustand. Zum Glück gibt es Medikamente, die so etwas abmildern können. So konnte ich an dem Tag ruhig und gelassen zum Zahnarzt gehen. Hupsie, Pupsie, und schon waren die zwei Hälften des Zahnrests raus. Es fühlte sich zwar an, als würde mein Zahnarzt mir den Unterkiefer ausreißen wollen, aber da hilft der Autismus dann - sachlich bleiben, er weiß, was er tut, und natürlich habe ich mich vorher belesen, wie so eine Zahnextraktion sich anfühlen kann.

Das war letzten Donnerstag, und die Schmerzen sind so gut wie weg. Nur, wenn ich viel rede, meckert der Unterkiefer noch herum. Aber es ist ja erschreckend, wie groß so ein Backenzahnloch ist! Da könnte man drei Kinder drin beerdigen. Da muss Zahnersatz her, und schon sind wir bei einem weiteren Punkt unter der Kategorie "Warum Dr Hilarius sich nicht meldet". So ein Kostenvoranschlag für eine Zahnbrücke kann einen erschlagen! Gleichzeitig kommt in einem zweiten Brief aber die Bestätigung der Krankenkasse, dass sie - nach Härtefallprüfung - 100% des Regelsatzes übernimmt (weil ich Bürgergeld bekomme). Also gleich die Bitte, das Standardbrückenmodell zu nehmen, ohne ästhetische Aufbesserungen. Dann habe ich eben etwas mehr Metall im Mund - ganz weit hinten, kaum sichtbar. Irgendwie fühlt sich das an wie Science Fiction, wenn Teile des Körpers nach und nach durch künstliche Sachen ersetzt werden ;-)

Das lässt mich an eine Sache denken, die die ganze Zahnbehandlung etwas erleichtert hat. So sehr, dass ich zwischendurch die Augen schließen musste, um nicht laut loszulachen. Diesmal war ich nämlich in einem anderen Behandlungszimmer, mit einer anderen Lampe über dem Zahnarztstuhl. Sie war so geformt, dass sie aussah wie ein klassischer Alienkopf, mit Anime-Augen. Kaum ist der Gedanke einmal da, werde ich ihn nicht mehr los, und deswegen Augen zu, damit der Arzt weiter arbeiten kann.

Und auch die colitis hat dazu beigetragen, dass ich nichts schreiben mochte, aber dazu bei'm nächsten Mal mehr. An alle, die ich zur Zeit vernachlässige: Es tut mir so leid! Vielleicht wird es irgendwann wieder besser.

post scriptum: Wer weiß, worauf sich der Ausdruck "Hupsie & Pupsie" bezieht, bzw. woher er kommt, bekommt eine Schachtel Belgische Meeresfrüchte ;-)