Sonntag, 24. Juli 2016

Über das Altern


Dreiunddreißig Jahre. Und endlich sind mal keine blauen Flecken oder Beulen irgendwo zu sehen. Solche Verschleißerscheinungen treten nun mal auf, können ja aber auch fix repariert werden, einfach ne Zeitlang schonen und alles funktioniert wieder, wie es soll. Mit dreiunddreißig Jahren können allerdings so langsam grundlegende Mängel auftauchen. Abgenutzte Gelenke. Hier und da knackt mal was. Man muss öfters mal zum Routine-Check. Ich habe mich heute wieder davon überzeugt, dass auch mit dreiunddreißig Jahren alles noch wunderbar funktionieren kann. Doch ich fange mal nach dem nicht vorhandenen Frühstück an.

DO-AH 387. Ich krieg jetzt schon nen Hals. Du blöde Urlaubstrulla mit deiner Sightseeing-Familie, seht ihr nicht, dass ich auf die B76 einschwenken möchte? Blinker? Ich versuche extra, in die Lücke zu kommen? Nein, Madame Tamara muss ja unbedingt ihre Schrottkiste gleichauf mit meiner halten. Völlig entnervt ziehe ich an ihr vorbei und fädel meinen Haufen TÜV-Kür in die Blechschlange Richtung Ostsee ein, was sie gleich mit entnervtem Hupen quittiert und dann im Siebziger-Bereich mit Hundert an mir vorbeizieht. Naja, was erwarte ich von jemandem mit dem Kennzeichen DO-AH 387. Wenigstens ist die olle Hopse endlich weg. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben...

Das Wetter ist ja geradezu fantastisch: Sonnig mit einem leichten Lüftchen, nicht allzu heiß, dennoch gut, wenn man Sonnenschutz dabei hat. Ich bekomme nur ein bisschen Nervosität in die Finger, es sind unzählige Touristen unterwegs. Klar, nun haben fast alle Bundesländer Ferien - man sieht es ja in der Politik als Erfolg an, dass endlich alle fast gleichzeitig in die Ferien starten können. Whatever. Und so sehe ich ein buntes Gemisch nationaler und internationaler Kennzeichen, Österreich ist dabei, die Niederlande, Italien, einmal Spanien, viel Dänemark. Dädebahk. Verzeihen Sie diesem alten Mann das sinnlose Gebrabbel.

Endlich raus aus Kiel, Elmschenhagen, Spieß-Preetz, endlich ein bisschen B76-Romantik in der Landschaft, ach schau mal an, wer steht denn da vorne auf dem Seitenstreifen? DO-AH 387. Ich überlege schon, bösartig eine Runde zu hupen, aber das ist nicht mehr nötig: Das Beifahrerfenster steht offen und im Moment meines Vorbeifahrens arbeitet sich eine wunderschöne, umgekehrte Parabel aus Frühstück den Weg Richtung Erdboden, Pynchon wäre stolz, nur dass diese Kotzparabel nicht wirklich regenbogenbunt war. Man kann sich nur im Ansatz vorstellen, welch Genugtuung mir der Anblick verschafft hat, ich hätte am liebsten thaliamäßig "Tsch-hösschedäh mbhit Khöösschendhäh!" nach draußen gerufen.

Habs aber für mich behalten und mich delektiert an der geilen Radiowerbung mit der Marssonde. Kennt Ihr die? Ich hab sie heute zum ersten Mal gehört und mich vor Lachen fast hinterm Lenker verklemmt. Sehr witzig! "Oh, da kommt irgendw..."

Doch nachdem ich dann endlich am Busch Reihe Neunzehn geparkt und mich aus dem Wagen gequält habe - und meinen Körper unter einer zentimeterdicken Schicht Sonnenschutz begraben - komme ich nun zurück zu den Gedanken über das Altern.

Mit dem Alter wird es langsamer, sagen manche. Früher war die (die?) mal schneller, klar, früher war immer alles schneller. Davon war heute nichts zu spüren. Im Gegenteil, ich habe heute erleben dürfen, dass man das Alter nicht wirklich spürt.

Okay, so langsam klinkt sich der gesunde Menschenverstand aus, wovon rede ich hier? Ich spreche von Nessie. Ich habe dem Hansa-Park heute einen kurzen Besuch abgestattet, Sonne aufgetankt, Adrenalin um mich herum verschüttet, mein persönliches Update abgeholt. Und ich wurde konfrontiert mit Straßen voller Touristen (Kennzeichen-Fasching), so wie oben bestaunte Kotztante. Ich habe mich in der Konsequenz seelisch auf elendig lange Wartezeiten im Park eingestellt - und wurde überrascht!

Das ging fix, Kärnan brauchte keine zwanzig Minuten, Fluch von Novgorod ebenfalls nicht. Erklärung? Könnte daran liegen, dass es das Reisewochenende ist und dass die meisten Familien auf der Straße unterwegs sind. Ich hab's jedenfalls genossen und dabei eben auch einmal wieder Nessie beobachtet. Genau wie ich, ist die Achterbahn in diesem Jahr dreiunddreißig Jahre alt geworden (falsch, Herr Doktor, die wurde nämlich schon 1980 gebaut). Und ich bin beeindruckt, wie ruhig sie sich fährt. Man muss es den Schwarzkopf-Achterbahnen lassen: Sie altern würdevoll und machen immer noch eine Menge Spaß, ich staune!

Ich habe es munkeln hören, der Fluch sei nicht so elegant gealtert. Ruckeliger geworden. Klapperiger. Da gab es hier und da mal richtig Schläge, blaue Flecken, unbequem. Der Fluch ist keine Schwarzkopf-Achterbahn, sondern stammt aus dem Hause Gerstlauer Amusement Rides, ebenso wie die Schlange von Midgard und Der Schwur des Kärnan (witzig - ich wette, das hab ich hier alles schon mal geschrieben und irgendjemand wird das vielleicht merken). Es geht der Tenor in der Achterbahn-Szene, dass Gerstlauer-Achterbahnen beim Altern leider ruckeliger und störanfälliger werden. Deswegen der Vergleich zu Nessie: Ob die Gerstlauer-Bahnen auch auf so lange Zeit ausgelegt sind?

So, und nun muss ich nochmal loswerden, wie sehr ich mich über den Hanse-Flieger freue. Endlich! Ich finde, diese Kettenkarusselle (siehe Foto oben) sind ein Wahrzeichen in jedem Vergnügungspark. Das gehört einfach dazu, und so habe ich heute auch damit meine ersten Runden gedreht und es hat riesigen Spaß gemacht. Als ich vor ein paar Jahren in Kings Island war, hab ich auch gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd, als ich das Kettenkarussell entdeckt hatte.

Irgendwie muss ich beim Schreiben dieses Eintrags schon wieder an Thomas Pynchon denken, alles zusammenhanglos und aus dem Kopf auf das Papier, Sinn und Zusammenhang, ach Leute, strengt Euch doch mal ein bisschen an und ich werd

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