Montag, 11. Juli 2016

Ein neues Gefühl


Ich bin rechts. Nein, stop. Ich war rechts. Früher war ich immer rechts. Am Autobahnkreuz Kiel-West bin ich, wenn ich die Stadt verlassen habe, immer rechts abgebogen. Von der Stadtautobahn runter auf die A210. Die Strecke kenne ich jetzt seit dreizehn Jahren. Im Studium: Wenn ich das Wochenende bei meinen Eltern verbringen wollte, bin ich rechts abgebogen. Ich weiß noch, das haben sie mir damals eingehämmert: Wenn du die Ausfahrt verpasst, wenn du nach links abbiegst, dann kannst du erst nach fünfzehn Kilometern wieder wenden. Also bin ich immer rechts gefahren. Aber links ging es ja auch nach Blumenthal. Wer wollte da schon hin?

In St.Peter-Ording: Immer, wenn ich am Dienstag früh um 4:30 Uhr aufgestanden bin, habe ich die Strecke rechts genommen - mit einer Ausnahme, Schneechaos, da war nix mehr mit rechts und links. Jede Woche am Dienstag bin ich rechts abgebogen, begleitet vom R.SH-Morgenprogramm. Ich hatte bald das Gefühl, als sei ich Voller Mittmanns Sitznachbar. Vertraut, regelmäßig wiederholt, jede Woche einmal. Und mein Gehirn hat sich die Abläufe alle eingeprägt. Dass ich auf die rechte Spur wechseln muss, die Geschwindigkeitsbegrenzungen... ich kannte dieses Autobahnkreuz auswendig.

Das war schon keine Straße mehr, das war ein Gefühl. Immer, wenn ich auf der Rückfahrt über die A215 hinweg fuhr und mich dann in die gemeinsame Strecke einordnete, war das für mich ein Symbol für das Wochenende. Arbeit hinter mir lassen. Probleme hinter mir lassen? Abschalten. Daher die Aussage, Kiel-West sei ein Gefühl. Und auch auf der Hinfahrt: Immer, wenn ich rechts abbog, mit dem Ziel St.Peter-Ording, immer war das der Startschuss für eine sehr lange Fahrt. Die erste Etappe von einhundertvierzig Kilometern Nachtfahrt. Der Startschuss für die Arbeit an der Nordseeschule. Kiel-West weckte tatsächlich eine gewisse Vorfreude, Kollegen wiederzusehen und meine Schüler wieder unterrichten zu dürfen.

Jetzt haben die Dinge sich geändert. Jetzt bin ich links. Kein Startschuss mehr, denn wer auf der A215 fährt, muss erstmal bei einhundert km/h bleiben. Es fühlt sich wirklich anders an. Eine neue Richtung, jetzt fahre ich endlich Richtung Blumenthal. Ein neues Gefühl.

Dieses Gefühl ist wunderbar. Endlich habe ich wieder Arbeit. Ich habe einen geregelten Tagesablauf. Ich habe einen Grund, morgens aufzustehen. Ich verdiene Geld. Mir wird erst so nach und nach bewusst, wie sehr die Arbeitslosigkeit mich hat versumpfen lassen. Und ich bin sehr glücklich, dass ich jetzt nicht mehr so viel Zeit habe.

Kiel-West.
Nach rechts abbiegen, das Kapitel habe ich abgeschlossen.
Nach links abbiegen, neugierig gehe ich auf das neue Kapitel zu.

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