Mittwoch, 31. Oktober 2018

Genie beherrscht Chaos

Ein paar der wenigen Sachen, die nicht planlos in der Wohnung herumstehen.

a.k.a. liegengelassen. Heute geht es mir um ein Phänomen - das Chaos in meiner Wohnung - das ich gern mit der Hochbegabung erklären möchte. Und weil ich das so gern möchte, mache ich das jetzt auch, obwohl vermutlich siebenundneunzig Prozent aller normalbegabten Leser das ganz genauso kennen und es nichts mit der Intelligenz zu tun hat. Die Erklärung klingt einfach so nachvollziehbar, also raus damit.

Halten wir noch einmal zwei Dinge fest: Wir wissen, dass das HB-Gehirn immer drei bis fünf Schritte voraus ist. Ich leben selten im Hier und Jetzt, auch wenn ich das sollte und deswegen trainiere. Im Kopf bin ich immer schon eine halbe Stunde, eine Woche oder vier Jahre weiter. Alles zu seiner Zeit, ja, würde ich gern sagen, aber sobald mein Gehirn etwas findet, wovor ich Angst haben könnte - oder auf das ich mich freue - dann stürzt es sich gedanklich darauf. Das zweite ist der Umstand, dass das HB-Gehirn sich gern auf eine Sache so stark fokussiert, dass es Anderes aus dem Blick verliert (zum Beispiel so unnötige Dinge wie Essen).

So nehme ich zum Beispiel den Glasreiniger und ein Wischtuch zur Hand, gehe zum anderen Ende der Wohnung, um die Fenster zu putzen. Sobald das erledigt ist, und genau genommen auch schon währenddessen, denke ich daran, was ich als Nächstes mache, und direkt nach der Arbeit gehe ich dann dazu über. Die benötigten Utensilien - Glasreiniger, Wischtuch - lasse ich einfach vor dem Fenster liegen. Oder ich packe ein neues Videospiel aus, gehe dabei durch die Wohnung; ist es ausgepackt, lasse ich die Folie an Ort und Stelle fallen. Oder ich gehe in's Bad, um Handtücher zu stärken. Den Eimer zum Anrühren der Stärke? Lasse ich auf der Waschmaschine stehen, denn ich muss zurück und die Handtücher zum Trocknen aufhängen, und dabei bin ich dann im Kopf schon wieder einen Gedanken weiter.

Dinge sofort erledigen, das versuche ich mir immer wieder zu sagen, und Müll nach dem Auspacken direkt in den Mülleimer zu werfen, oder gebrauchtes Geschirr direkt in die Spülmaschine zu räumen, oder Putzmittel wieder zurück in das vorgesehene Regal zu bringen. Ich versuche wirklich, das zu trainieren, aber was mir gegenan arbeitet, ist der Umstand, dass das Chaos ja vollkommen in Ordnung ist. Wie sagt man? Nur ein Genie beherrscht das Chaos, und ich habe bei zweiundneunzig Prozent der benutzten Sachen noch im Kopf, wo ich sie abgelegt habe.

Vielleicht spielt auch ein gewisser Rebound-Effekt eine Rolle: Meine Mutter hat immer sehr darauf geachtet, dass alles blitzblank, sauber und aufgeräumt ist (zu sehr?) - das habe ich übernommen, bis ich im Studium gemerkt habe, dass die Welt nicht untergeht, wenn etwas mal nicht am zugedachten Platz liegt. Und vieleicht schlage ich deswegen in das andere Extrem aus - als Ausgleich zu einer extrem aufgeräumten Kindheit.

Transgression, quasi.

Samstag, 27. Oktober 2018

School Hopping

Immer wieder aufregend

Mein Leben stand für mich irgendwie immer fest. Da war ein klarer, gerader Plan, den ich verfolgen wollte, das hat mir Sicherheit gegeben. Ich mache mein Abitur, dann studiere ich eben schnell Latein und Englisch, mache dann mein Referendariat und bekomme einen Job.

"Schmink' dir das ab."

Sehr charmant, danke auch, aber genau das hat die Sannitanic (die bald platzt) damals zu mir gesagt. Und ich hab' sie angelächelt und mir gedacht, ach, lass' sie mal reden, die ist eh' immer so negativ und pessimistisch. Hey, ich habe Latein studiert, damit kann ich mir meine Schule aussuchen!

Abgeschminkt.

Es ist jetzt etwa zehn Jahre später. Ich hatte mich an etwa dreißig Schulen im Land initiativ beworben, weil ich dachte, dass mir jemand antworten wird. Nein. (Die große Buba kennt den Tonfall.) Da kam nix zurück, außerdem war meine Examensnote mit Eins Komma Neun einfach zu schlecht, da gab es viel bessere Bewerber - und mir führt das auch heute noch vor Augen, dass die Note des Zweiten Staatsexamens nichts über die pädagogische Kompetenz eines Junglehrers aussagt.

Ich habe mich dann irgendwann damit abgefunden, dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis ich die richtige Schule für mich gefunden hatte. Und auch wenn es immer wieder eine richtige Tortur war, an eine neue Schule zu kommen - neue Schüler, neue Kollegen, neue Orte, neue Fahrstrecken, neue Klassenstufen, neue Curricula, für den Hochbegabten der absolute Horror - so hatte dieses school hopping eine unschätzbar wertvolle positive Seite.

Meine erste Schule fand ich toll. Das war alles so aufregend, und es lief für mich scheinbar gut. Ich bin bei Schülern und Eltern gut angekommen, und wenngleich mich ein paar Dinge etwas störten, so dachte ich mir, dass es diese nervigen Dinge überall geben wird und ich das einfach hinnehmen müsste. Ich war soweit, Husum als meinen festen Schulort zu akzeptieren.

Einzig durch das Zerwürfnis mit meiner Schulleiterin, das um ein Haar das Ministerium erreicht hätte, und den daraus resultierenden Schulwechsel nach St.Peter-Ording habe ich kennen gelernt, wie Schule auch anders funktionieren kann. Ich habe an der zweiten Schule ein aufgeschlossenes, kollegiales Kollegium kennengelernt, bunte, wilde Schüler, Schulsozialpädagogik in Gestalt von Thekla, und das alles hat mein Bild von der ersten Schule in Husum drastisch relativiert.

Auf einmal wirkte meine erste Schule für mich kalt, rücksichtslos, falsch, der absolute Horror und ich war so glücklich, von dort weggekommen zu sein. Dieses In's-Verhältnis-Setzen wäre nie geschehen, wenn ich in Husum geblieben wäre, und ich bin unendlich dankbar dafür. Es lässt sich vielleicht nachvollziehen, dass ich an mittlerweile sechs verschiedenen Schulen trotz aller Unannehmlichkeiten sehr wertvolle Eindrücke sammeln konnte. Ich konnte Schulen miteinander vergleichen, konnte feststellen, was für unterschiedliche Schulkonzepte dort herrschen und konnte auch ein wenig erfahren, welche Eigenschaften eine Schule haben sollte, an der ich mich wirklich wohlfühlen kann.

Auch wenn das jetzt wahrscheinlich blöd klingt, manchen Kollegen gegenüber, die nie eine zweite oder dritte (oder sechste) Schule kennengelernt haben: Ich möchte das nicht missen. Das waren sieben harte Jahre (vorausgesetzt, ich werde in Plön bleiben können), aber ich mag mir gar nicht ausmalen, was mir gefehlt hätte, wenn ich in Husum damals fest übernommen worden wäre, so wie eine Mitrefi damals.

Und ich bin dankbar.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Asozial

"Bin ich etwa asozial?"

"Dr Hilarius, stimmt das, dass du deine Schüler im Unterricht asozial genannt hast??"

Ja, stimmt. Habe ich getan. Würde, und werde ich wieder tun, wenn es nötig ist. Wenn die Schüler mir signalisieren, dass in ihrem Kopf immer nur die Anderen asozial sind. Der gestrige Beitrag über das Ehrlichsein hat eine Anekdote in meinem Kopf herausgeklopft - an einer meiner früheren Schulen.

Eine Klasse, wie man sie sich vorstellt, Gemeinschaftsschule. Laut, lustig, menschlich - und asozial. In dieser Klasse ist ein Schüler auf den Rollstuhl angewiesen; glaubst Du, irgendjemand hätte ihm geholfen, als es in den Hochseilpark ging? Oder die Schülerin, die eine Arbeit nachschreiben soll; glaubst du, auch nur ein Mitschüler hätte ihr geholfen und den Tisch nach draußen getragen (ich hatte extra darum gebeten)? Und dabei hatte ich starke Jungs in der Lerngruppe. Bereitschaft zu helfen - nicht vorhanden. Und wenn die Schüler etwas scheiße finden, nennen sie es "schwul". Und wenn sie einen Menschen scheiße finden, nennen sie ihn "behindert".

Und als ich sie auf ihre Verhaltensweisen hinweise - ihnen diese ganzen Situationen vor Augen führe - und ihnen dann entgegenwerfe, dass sie sich asozial verhalten, fällt ihnen alles aus dem Gesicht. "Haben sie uns gerade als asozial bezeichnet? Das können sie doch nicht machen!"

Doch, sage ich dann, kann ich. Und dann erkläre ich ihnen in aller Ruhe, was das Wort a-sozial bedeutet, und weise sie darauf hin, dass jeder von uns in sich das Potential trägt, sich asozial zu verhalten. Und ein paar von ihnen nutzen das Potential.

Ich habe wegen dieser "Methode" schon häufiger Beschwerden bekommen, meistens ging das direkt an die Schulleitung. Dennoch bleibe ich dabei, denn die Schüler scheinen wirklich keine Ahnung von der Bedeutung des Wortes zu haben. Ich sage das nicht in der Orientierungsstufe - die Kinder könnten davon richtig getroffen werden und die Sache nicht verstehen. Aber ab Klasse Acht müssen sich diejenigen, die sich mies gegenüber Mitschüler verhalten, sich das auch einmal sagen lassen.

Von wegen "asozial sind immer nur die Anderen".

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wir sind ja so tolerant!



Lieber nicht hinsehen

"Ich habe nichts gegen Schwule. Solange sie sich nicht schwul benehmen."

Okay, das mag jetzt wenig originell sein - aber leider noch genauso aktuell wie vor Jahren. Nehmen wir doch mal Mensch A. A war ein sehr offener Mensch, gab sich zumindest Mühe. Und sicherlich hat A das auch alles ernst gemeint: "Ich habe nichts gegen dicke Menschen, soll jeder mit sich zufrieden sein."

Ich habe viel Zeit mit A verbracht, so dass ich nach einigen Monaten dann mal zu A sagen konnte: "Ist dir eigentlich mal aufgefallen, wie oft du dich über dicke Menschen lustig machst?" - Das hat gesessen, hat A einigermaßen getroffen und für ein Nachdenken gesorgt. A hat das sicherlich nie böse gemeint, die Scherze wirkten eher wie unbedachte Automatismen, und A "konnte sich das ja erlauben, weil A sehr sportlich war".

Von A kam auch der eingangs erwähnte Satz - A habe nichts gegen Schwule, solange sie sich nicht tuckig benehmen. Und ebenso, dass A nichts gegen Lesben habe, solange sie keine butch sind. Und Lesbensex in Filmen ist sowieso noch einmal etwas ganz Anderes. Und ich habe A auch in der Hinsicht klargemacht, dass A eben doch etwas gegen Schwule hat. Das ist wie "Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..."

Und auch diese Erkenntnis hat gesessen, und wieder war ich überzeugt, dass A es nicht böse meinte. Immerhin ist A auch mit mir als sexuell ungebundenem Menschen klargekommen. Weil ich meistens nur rumtucke, wenn eine gewisse Die Große Buba anwesend ist.

Es hat mich gefreut, wie A mit diesem neuen Bewusstsein umgegangen ist. Dass A mir das alles geglaubt hat, und dass A sich seither Mühe gegeben hat, mehr auf Toleranz zu achten - denn A wollte definitiv tolerant sein, musste nur erstmal verstehen, was das eigentlich bedeutet.

Es gibt unglaublich viele Menschen wie A. Jene, die sich ihrer Intoleranz nicht bewusst sind, und denen es gut tun würde, wenn ein guter Freund sie einmal auf ihr Verhalten hinweisen würde. Aber aus Höflichkeit tun wir das ja oftmals nicht. Im Buddhismus heißt es, ein wahrer Freund sei einer, der Dich herausfordert. Nicht so wie die Antwortmaschinen...

Ich liebe A, und ich bedauere es wirklich, dass ich zur Zeit nicht miterleben darf, wie A sich entwickelt. Aber vielleicht tut es A auch ganz gut, wenn da mal keiner ist, der oft so verletzend ehrlich ist, wie ich es war. Rücksichtslos. Überfordernd.

Nun denn. Und mit diesem Denkimpuls könnt Ihr euch ja einmal selbst fragen, wie tolerant Ihr denn seid. Auch Schülern gegenüber. Also mal ganz ohne "Die B ist eh' zu dumm für diese Schule!" Davon habe ich jetzt genug.

Dienstag, 23. Oktober 2018

Lernausgangslage

Tag Zwei.

Vielleicht habt Ihr an Eurer Schule schulinterne Fachcurricula. Ich habe das gern als Papierkram abgetan, kümmert sich doch eh' keiner drum, wozu haben wir schließlich die Lehrpläne. Jetzt weiß ich die Vorteile eines schulinternen Fachcurriculums zu schätzen.

Ihr habt für Eure Schule festgelegt, wann welche Inhalte im Unterricht behandelt werden (und evtl. in einem Methodencurriculum auch darüber diskutiert, wie das gemacht werden soll). Ihr habt beschlossen, welche Inhalte den Schülern am Anfang von Klasse Sieben bekannt sein sollen. Ihr habt festgelegt, welche Inhalte mit dem Übergang in die Sekundarstufe Zwei bekannt sein sollen. Und wenn alles gut läuft, könnt Ihr Euch bei Eurer Unterrichtsplanung auch darauf verlassen und bestimmte Inhalte abrufen. Idealerweise könnt Ihr das.

Weniger ideal könnt Ihr das, wenn Ihr ein- oder zweijährige Bildungsgänge unterrichtet und womöglich jedes Jahr eine neue Lerngruppe bekommt, die aus unterschiedlichsten Schularten, Städten und Bundesländern zusammengewürfelt ist.

Die einen Schüler können in der Berufsoberschule bereits sehr gut mit (literarischen) Texten arbeiten. Die anderen können das gar nicht, manche sind dafür im Umgang mit geschäftlichem Briefverkehr top ausgebildet. Manche können Englisch, manche eher nicht so. Manche haben noch nie eine zusammenhängende Textproduktion durchgeführt.

Und jetzt, nach sechs Wochen Unterricht, soll dieser bunte Haufen an Prüflingen in der Lage sein, den ersten standardisierten Leistungsnachweis abzuliefern, und ich habe echt Angst davor. Festzustellen, dass das Leistungsspektrum genauso weit auseinandergeht wie die Lernausgangslagen. Und gerade um letztere festzustellen, beginnt man die Arbeit in einer neuen Lerngruppe ja mit einer Lernstandserhebung (die große Buba kotzt womöglich gerade über dieses Regelschullehrervokabular). Ich habe mich diesmal dabei aber leider nur auf die Sprachfertigkeit konzentriert.

Damit steht nun immerhin fest, worauf ich die nächsten fünf Monate Englischunterricht in der BO konzentrieren werde - die Schüler ganz konkret auf ihren Abschluss vorzubereiten. Und letztlich kann man als Lehrkraft keine Wunder bewirken - einige Schüler werden ihren Abschluss nicht schaffen. Vielleicht bei'm nächsten Mal.

Montag, 22. Oktober 2018

Tag Eins

Hergehört, liebe Kinderchen!

Seid Ihr gut gestartet? Sei es nun in die neue Schulzeit oder in die Ferien, wie es bei Herrn Leinhos gerade der Fall ist; hier im Norden steht also ein neuer Schulblock an und es ist wirklich verwirrend, wenn der erste Schultag gleich schon wieder frei ist. Ein etwas seltsames Gefühl, das sicherlich noch seltsamer dadurch wird, dass ich Mittagessen zubereite - für mich ungewöhnlich, weil ich monatelang intermittierendes Fasten betrieben habe, also nur eine Mahlzeit täglich am Abend zu mir genommen habe. Ich brauche jetzt aber etwas mehr Energie, um die anstehenden Aufgaben zu erledigen. Dabei kommt es mir sehr zupass, dass draußen die Sonne scheint; ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, aber bei Sonnenschein ist die Arbeitsmotivation um Einiges höher als bei der grauen, für den Herbst üblichen Waschküche da draußen. (korrigiere: Energie für Hausarbeit rauf, Energie für Korrekturen runter)

Ich bin auch gespannt, wie meine Schüler den Start in die Schulzeit überstehen; je nach Bildungsgang verbringen sie ja nur ein Jahr an der Berufsschule, mit anschließenden Abschlussprüfungen, und ich hoffe, dass ihnen bewusst ist, dass sie von Anfang an durchpowern müssen - genau wie ich, um das Gefühl zu bekommen, dass ich sie gut auf die Klausuren vorbereitet habe. Jeder, der schon einmal ein Abitur oder ESA bzw. MSA abgenommen hat, wird das Gefühl kennen.

Außerdem bin ich froh über die Ablenkung, die die Arbeit mit sich bringen wird. Ich habe gemerkt, dass Er mir in den vergangenen drei Wochen etwas zu viel durch die Gedanken gespukt ist, und das tut mir nicht gut. Ich habe damals im Studium zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, wie wohltuend Arbeit sein kann - damals, bei meinem ersten Liebeskummer, für den ich dank meiner Hiwi-Arbeit kaum Zeit hatte.

Und nicht zuletzt habe ich bei allen Schulanfängen in den letzten Jahren immer wieder Eines gemerkt: Auch wenn mit dem Dahinschwinden der letzten Ferientage sich ein wenig Unmut einstellt, ein wenig Angst vor dem, was kommt, oder ein wenig Traurigkeit, dass die freie Zeit vorbeigeht, so hat die erste Schulwoche mir immer wieder bestätigt, dass ich gern Lehrer bin. Dass die Schüler mir, egal, wie sie sich gerade verhalten, gute Laune bereiten, weil ich das Gefühl habe, etwas zu bewirken. Und dabei war es völlig egal, an welcher Schule ich war - aber ich muss zugeben, an dieser hier könnte es wieder etwas angenehmer werden.

post scriptum: Heute habe ich in der Stadt ein Plakat gesehen für ein Konzert - "Vicky Leandros life!" (sic); wie soll ich meinen Schülern glaubhaft versichern, dass einzelne Buchstabenverwechsler schwerwiegende Bedeutungsunterschiede mit sich bringen können und es gerade im Bereich Business auf jeden Fehler ankommt, wenn die Werbung mal wieder solche Klassiker bringt? Vuck!

Samstag, 20. Oktober 2018

Überraschend


Das wird ein Beitrag für Videospiel-Nerds. Nach über zwanzig Jahren Kontakt mit Videospielen bekommt man irgendwann das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben. Es fühlt sich an, als habe jedes Spiel eine Wüste, eine Eislandschaft, ein Ort, der in Finsternis liegt, eine gebirgige Region, einen Wald. Und vieles mehr. Es könnte die Gefahr bestehen, dasselbe Spielerlebnis wieder und immer wieder zu haben; dabei hatte ich einst geschrieben, wie sehr ich mir Neues wünsche. Neu-Gier eben.

Manchmal schafft es ein Videospiel dann doch, mich zu verwirren, herauszufordern, den Wunsch zu wecken, alles zu entdecken. Ni No Kuni hatte damals diesen Effekt, als im post-game-content das Spiel auf eine Metaebene gebracht wurde, unerwartet, verwirrend und schön.

Und nun ist es also wieder soweit. Gestern hatte ich das neue Dragon Quest XI beendet, ein schöner Abschluss für die Ferien, dachte ich. Mir war klar, dass da noch irgendwas kommen würde, nach den Credits, das gehört mittlerweile fast zum guten Ton. Noch stärkere Ausrüstungsgegenstände, neue Alchemie-Rezepturen, geheime Gegner, eine bis dahin verschlossene Tür, die nun offen steht. Das ist der Standard, den ich mittlerweile oft erlebt habe, macht ja auch Spaß, wirft mich aber nicht um. Ich wollte heute nur mal eben schauen, was denn dieses Leuchten in den seltsamen Ruinen zu bedeuten hat - und spoilerfrei kann ich sagen, dass mir der Teppich unter den Füßen weggezogen wurde.

Eine sehr kreative Art, das Spiel zu verlängern, hat mich sofort gepackt. Und wenngleich dadurch alles Vorhergegangene in Frage gestellt wurde, so gab es das ganze Spiel über kleine Anzeichen auf diese Wendung. Ich mag es, wenn mein Geist manipuliert wird, ich mag es, wenn ich staunen kann. Denn je älter man wird, umso schwieriger ist es, in's Staunen zu kommen - ich merke das immer wieder, wenn ich Roger Eberts spätere Rezensionen lese.

Gut, was ich jedenfalls sagen will, ist wieder dieser Hochbegabtenscheiß: Der Plan für heute war perfekt, ich wollte viele Dinge erledigen und am Ende des Tages auf all' die Ergebnisse schauen können - nix da, wenn das Gehirn entscheidet, dass es da etwas Anderes gibt, das irgendwie interessanter erscheint. Also denn, morgen ein neuer Versuch!

Freitag, 19. Oktober 2018

Ferienende

Langsam werden die Abende wieder dunkler...

Die Herbstferien neigen sich dem Ende zu. Sie haben sich anders angefühlt als sonst. Für mich haben sie sich fast wie Sommerferien angefühlt, weil drei Wochen Ferien am Stück wirklich lang sind. In diesen drei Wochen bin ich meilenweit weggedriftet vom Schulalltag, von allem, was zu tun ist, und nun muss ich langsam wieder dahin zurückfinden.

Und es sind nicht nur die Ferien, die sich diesmal anders angefühlt haben. Dieses ganze Jahr, Zweitausendachtzehn, fühlt sich irgendwie anders an. Für unsere norddeutschen Verhältnisse viel zu heiß. Wir hatten fast die gesamte Kieler Woche über Sonnenschein - geht gar nicht. Nichtmal mehr Trump kann den Klimawandel leugnen (aber immer noch hinzufügen: "Vielleicht geht das ja wieder weg."). Das Jahr zu bewerten, dafür ist es allerdings noch zu früh, wir haben noch ein Stück vor uns.

Neun Schulwochen, genaugenommen. Ich bin ganz froh, dass es etwas mehr sind als die sechs Wochen zwischen Sommer und Herbst. Vielleicht kann ich nun langsam in einem Schulalltag landen, vielleicht kann es nun endlich mal richtig losgehen. Kopfsache. Die warmen Temperaturen draußen haben nicht dazu beigetragen, dass ich eine fleißige Haltung einnehme - und daher bin ich ganz froh, dass es heute fühlbar kälter draußen war. Es darf endlich Herbst werden. Zeit, Dragon Quest XI abzuschließen, Zeit, die Evil Dead-Trilogie zu Ende zu schauen, aufräumen und dann durchstarten.

Ich wünsche Euch ein ruhiges letztes Ferienwochenende, arbeitet nicht zu viel (aber mehr als ich) und kommt dann gut in die neue Woche!

post scriptum: ...dabei wird mir gerade bewusst, dass in diesem Jahr ja Montag mein freier Tag ist (also auch in dieser Hinsicht "anders"), also starte ich dann wohl etwas verspätet.

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Amoklauf

Dieses Bild geht um die Welt

Nach dem etwas düsteren Artikel von gestern, über das "Böse", was in uns allen steckt - die düstere Seite der Menschlichkeit - wäre heute ein etwas aufmunternderes Thema ganz schön. Die heutigen Schlagzeilen, kombiniert mit dem Umstand, dass bei uns in der nächsten Woche der Schulbetrieb wieder aufgenommen wird, triggern die Veröffentlichung eines Beitrags, den ich schon seit vielen Monaten schreiben wollte. Seitdem die weltweite Verbreitung von Nachrichten viel unkomplizierter geworden ist, erreichen uns mehr schreckliche News als noch vor zwanzig Jahren. Das führt auch dazu, dass die Sensationspresse mehr Möglichkeiten findet, blutrünstige Schlagzeilen zu drucken - wenn zum Beispiel mal wieder ein Amoklauf an einer Schule stattgefunden hat. So wie auf der Krim, gestern und heute in den Nachrichten.

An einer Berufsschule hat ein Schüler über fünfzehn Menschen getötet, mindestens fünfzig wurden verletzt, und wie so oft beging der Täter vor seiner Ergreifung Selbstmord. Und wir - Lehrer, Angehörige und wildfremde, aber interessierte Menschen rund um den Erdball - werden mit offenen Fragen zurückgelassen. Mit schmerzhaften Denkimpulsen, denen viele von uns dann aber aus Angst oder Bequemlichkeit nicht nachgehen wollen.

Wir konnten das in den letzten Monaten in den Vereinigten Staaten beobachten, zum Beispiel am Amoklauf an der Marjorie Stoneman Douglas High School: In die Trauer nach dem Ereignis mischen sich immer wieder Stimmen gegen den Waffenbesitz, Hunderte, Tausende - Hunderttausende. Und jedesmal, leider, gibt es diesen kritischen, zornigen Stimmen gegenüber jene, die sagen, dass man in so einer schlimmen Zeit nicht über Waffengesetze nachdenken solle, das sei unethisch und rücksichtslos gegenüber den Angehörigen der Opfer. Jetzt müsse erstmal getrauert werden. Und wenn dann genug getrauert wurde? Dann müsse man erst recht nicht über Waffengesetze reden, denn "im Moment ist es ja eigentlich ganz friedlich, und bei uns kommt sowas ja zum Glück nicht vor."

Das tut weh. Bei mir führt es immer wieder zu der Frage, warum es überhaupt Waffen geben muss, aber leider erstickt das Menschsein an sich jegliche pazifistischen Motivationen - siehe den Artikel zu Das Weiße Band. Homo homini lupus, meinte mal jemand. Da die Diskussion über Waffengesetze mittlerweile komplett ausgelutscht ist und ich mit einem Artikel dazu nichts Neues liefern könnte (ein Blick in die Nachrichten reicht), möchte ich als Lehrer und Pädagoge meinen Kommentar dazu abgeben, dass diese Amokläufe - wenn sie keinen terroristischen Hintergrund haben - so oft an Schulen stattfinden.

Harris und Klebold an der Columbine High School vor fast zwanzig Jahren

Dazu hilft es zu wissen, dass es wesentlich mehr Fälle gibt als die paar spektakulären in den Medien; Columbine oder Winnenden, davon hat fast jeder gehört. Menschen wie Michael Moore haben sie kommentiert, oscarprämiert. Theorien über die Motive gibt es massenhaft. Seit Columbine im Jahr Neunzehnneunundneunzig gab es in den USA einunddreißig Amokläufe - im gesamten Rest der Welt dagegen vierzehn - und wir realisieren, dass wir viele davon überhaupt nicht mitbekommen.

Was können wir tun? Wir Lehrkräfte können auf die Waffengesetze nicht ganz so viel Einfluss ausüben, allerdings können wir uns eine wertvolle Tür zu den Menschen öffnen, die später einmal einen Schulamoklauf begehen werden. Das ist eine Verantwortung, die wir nutzen sollten, und wir sollten solche platten, unreflektierten Thesen wie "Videospiele machen gewalttätig" unbedingt jenseits unserer Arbeit untergehen lassen. Wir sollten diesen potentiellen Amokläufern etwas zukommen lassen, was ihnen in so vielen Fällen gefehlt hat: Aufmerksamkeit, ehrliches Interesse und interpersonale Wärme.

Und damit meine ich nicht, dass wir ihnen tolle Noten geben sollen, damit sie zufrieden sind und ruhig bleiben. Ich habe in St.Peter-Ording gelernt, meine Hemmungen abzubauen und Fünfen und Sechsen zu geben, auch an zwei Drittel der Klasse, wenn es nötig ist. Auch wenn viele Schüler im Unterricht anfangen zu weinen. Ich habe diesen Holzhammer immer mit mir in der Tasche, mit einem Unterschied zu ein paar Kollegen, die ich in den letzten sieben Jahren persönlich kennengelernt habe: Ich lasse meine Schüler mit diesen Noten nicht allein.

"Du hast Maria eine Sechs gegeben? Kein Wunder, die kann ja gar nix, die ist hier vollkommen falsch an der Schule, die muss noch mehr Sechsen bekommen, damit sie das auch endlich selbst merkt." - Als ich das zu hören bekommen habe, vor gar nicht allzu langer Zeit, hat sich mir der Magen umgedreht. Noch zwei Umdrehungen mehr, als ich realisiert habe, dass das nicht nur große Töne der Lehrkraft waren, sondern dass das im Unterricht auch konsequent umgesetzt wurde und wird.

Die Schülernähe war immer meine große Stärke und größte Schwäche. "Nähe und Distanz" nennt sich dieser Punkt in der Lehrerausbildung. Mir fällt es nicht immer leicht, die professionelle Distanz zu bewahren - ich möchte den Schülern gern ein offenes Ohr bieten, ich möchte hören, was in ihnen vor sich geht und wie sie sich damit fühlen. Und wenn ich dabei zu große Nähe aufbaue - dann muss ich zugeben, dass mir das immer noch lieber ist als zu große Distanz, indem ich sie behandele, als wären sie nicht mehr als die Teilnehmerzahl auf der Kursliste.

Mittwoch, 17. Oktober 2018

The Evil Within Me. And You.

Mancher muss sehr gründlich in die eigene Seele schauen, um das Böse zu finden...

Mir ist bei der Auswahl der tags eben aufgefallen, dass dieser Beitrag eigentlich so viele Themen anschneidet. Und Schuld daran trägt der Zufall, der ein paar Ereignisse zeitlich nah beieinander hat geschehen lassen: Gestern der Film My Dinner With André, heute hat Er mir dann auf eine Videobotschaft von mir geantwortet und ich überlege, was in das nächste Video soll, und dann habe ich heute auch noch einen Film von Michael Haneke gesehen. Ausgerechnet.

Haneke ist ein verdammt unbequemer Regisseur, weil seine Filme sich überhaupt nicht den Bedürfnissen von Hollywood hingeben, sondern extrem authentisch die Unmenschlichkeit des Menschen portraitieren. Vor einer Weile hatte ich seinen Film Caché (2005) gesehen; einer von Euch hatte ihn mir empfohlen, und so habe ich angefangen, mich mit Haneke auseinanderzusetzen. Heute gab es Das Weiße Band (2009; bei Amazon prime frei verfügbar), eine "deutsche Kindergeschichte", wie es im Vorspann heißt. Wir sehen dann zweieinhalb Stunden lang das Leben in einem deutschen Dorf vor dem Ersten Weltkrieg. Bei Haneke darf man sich sicher sein, dass alles, was da läuft, authentisch und bis in's Detail durchdacht ist; er ist ein recht kompromissloser Regisseur, und seine Filme mögen gerade für jüngere Zuschauer langweilig wirken, aber irgendwann kommt der Moment im Leben, dass man realisiert, dass die Bösen nicht immer die Anderen sind.

Das Potential, Böses zu tun, schlummert in jedem von uns. Und es muss nicht immer gleich ein Mord oder ein Weltkrieg sein; dass Haneke den Film zur Zeit des Attentats enden lässt, ist eine konsequente Weiterentwicklung aus dem, was er uns vorher gezeigt hat: Ein Pferd und Reiter stürzen über einen gespannten Draht, ein Gebäude wird angezündet, einem Jungen werden die Augen ausgestochen. Grausige Ereignisse, die in der Dorfgemeinde bewirken, dass jeder jeden mit anderen Augen anschaut. Hanekes Geniestreich - wie auch schon bei Caché: Er liefert uns keinen Täter. Das Whodunit bleibt offen, und damit wird uns bewusst, dass es Haneke gar nicht um die Frage des Täters ging, sondern um die Erkenntnis, dass es jeder hätte gewesen sein können.

Unschuld gibt es nicht. Können wir uns davon frei machen? Wann bist Du zum letzten Mal schneller gefahren als erlaubt? Wann hast Du jemandem ein Kompliment zum Outfit gemacht, das in Wirklichkeit grauenvoll aussieht? Wann hast Du zum letzten Mal Deine Freundin belogen und ihr verheimlicht, dass Du mit jemand Anderem Kontakt hast? Wann hast Du verheimlicht, dass Dir der Sex mit ihm eigentlich überhaupt keinen Spaß gemacht hat? Diese Liste ließe sich ad infinitum fortführen. Es geht um die Erkenntnis, dass jeder von uns das Potential hat, "Böses" zu tun.

By the way, natürlich hat Haneke damit keine großen, neuartigen Erkenntnisse auf Zelluloid gebannt - David Lynch hat das zum Beispiel auf seine ganze eigene Weise in der jüngsten Staffel Twin Peaks gemacht. Aber Haneke schafft das ganz ohne Effekte, ohne komplexes Sounddesign. Er gibt uns das Gefühl, dass das, was wir da auf dem Bildschirm sehen, wirklich so geschehen ist. Dadurch baut der Regisseur die Vierte Wand ab - was er zum Beispiel bei Funny Games etwas plakativer gemacht hat.

Ich finde es scheiße, wie oft in unserer Welt Menschen die Schuld immer woanders suchen und sich selbst für den Ursprung aller Unschuld halten. Und weil der Film mich inspiriert hat, möchte ich ein kleines bisschen dieser Ehrlichkeit in die nächste Videobotschaft einbauen, mal schauen, ob Er etwas merkt.

Dienstag, 16. Oktober 2018

Denkwürdiges Abendessen

Wer bin ich...?

Selbstreflektion: Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Woher komme ich, wohin gehe ich? Bin ich authentisch? Wie behandele ich meine Mitmenschen? Sich selbst zu hinterfragen tut unglaublich gut, denn wir neigen dazu, durch den Alltag zu Maschinen zu werden, gleiche Denkmuster, gleiche Bewegungsabläufe.

Meine Erfahrung ist allerdings, dass diese Reflektion nicht auf Kommando geschehen kann. "So, jetzt möchte ich mal mein Handeln hinterfragen!" - klappt nicht. Zumindest nicht ernsthaft. Es braucht schon einen guten Denkimpuls, der den Wunsch zur Selbstreflektion auslöst. Das kann ein Beitrag aus den Nachrichten sein, ein Buch oder ein Film, und sicherlich gibt es noch viel mehr Denkanstöße.

Ich weiß leider nicht mehr, wer mir vor einiger Zeit den Film My Dinner With André (1982) empfohlen hat; heute war es soweit und ich habe ihn mir einmal angeschaut. Eigentlich total simpel: Zwei Männer treffen sich zum Abendessen und kommen in's Gespräch. Die Frage "Wo warst du denn so in letzter Zeit unterwegs?" lenkt in eine Diskussion über das Leben, über Charakter, Buddhismus und Vieles mehr. Und das war irgendwie faszinierend: Ich habe mich gefühl, als ob ich an der Unterhaltung aktiv teilgenommen habe - weil sicherlich jeder Zuschauer irgendwelche Anknüpfungspunkte finden kann. Und ich habe gemerkt, wie viel André in mir steckt.

Also, wer auch immer mir den Film empfohlen hat: Vielen Dank für die Idee! Und es war für mich besonders spannend zu bemerken, dass Roger Ebert den Film damals in seine Liste der Great Movies aufgenommen hat. Ich denke, ich werde den Film alle paar Jahre wieder schauen, um zu sehen, wie ich mich weiterentwickelt habe. Ich glaube, Er könnte diesen Film gut gebrauchen. Damit es ihm vor Augen geführt wird: die Diskrepanz zwischen authentischem Ich und gespieltem Ich.

post scriptum: Vielen Dank für Eure Kommentare zum "Schulleiterin"-Beitrag! Ich weiß, es klingt vollkommen dämlich, aber diese Kollegen haben mich tatsächlich in's Überlegen gebracht, ob Frauen für eine Schulleitung weniger geeignet sind. Eure deutliche Rückmeldung hat mir diesen Unsinn aus dem Kopf gepustet ;-)

Sonntag, 14. Oktober 2018

Schulleiterin

Was denkst Du?

Heute interessiert mich Eure Meinung; ich habe in den letzten Jahren an zwei unterschiedlichen Schulen folgende Aussage (in ähnlichem Wortlaut) zu hören bekommen:

"Männer sollten Schulleiter sein, mit Frauen hat man da viel Stress."

Ich versuche gerade, mich zu erinnern, ob dafür auch Gründe genannt wurden. Ich meine, da war so etwas gekommen von wegen "Männer sind rationaler, Frauen emotionaler, und als Schulleiter muss man sachlich bleiben können".

Welche Erfahrungen habe ich mit meinen Schulleitern gesammelt? Ich hatte in Husum und Neumünster weibliche Dienstherrn, und an einer Schule bin ich mit ihr nicht klar gekommen, aber ich glaube nicht, dass das mit dem Geschlecht zu tun haben könnte.

Was meint Ihr? Platter Sexismus, oder ist da was dran?

Samstag, 13. Oktober 2018

Meditation - ein Genuss

Lächle - und die Welt verändert sich (Buddha)

Ist eine kleine Anspielung auf meinen Studienleiter, der am Examenstag zu mir meinte: "Dr Hilarius, die Lateinstunde - ein Genuss." Und keine Sorge, es geht nicht um Selbstbeweihräucherung, denn mein Portfoliogespräch und die PFDS-Aufgabe habe ich glänzend versaut. Bzw. einer hat eine Eins dafür gegeben, jemand Anderes eine Fünf und dann haben sie sich die Köpfe eingeschlagen, was es denn nun werden sollte.

Naja, es freut mich ja, dass er die Stunde genießen konnte. Ich lerne auch immer mehr, die Welt um mich herum zu genießen, und deswegen möchte ich die Meditation unbedingt als festen Bestandteil in meinen Alltag integrieren. Erst wird geduscht, und da geht es schon los. Kennt Ihr das nicht? Das Gefühl, dass der Körper rein ist? Irgendwie schon ein bisschen befreit. Und dann gehe ich aus dem vollgedampften Badreich in meine Wohnung und ein angenehm erfrischender Luftzug ist am ganzen Körper zu spüren.

Der schönste Moment ist allerdings der Einstieg in die Meditation. Wenn ich mich mit weicher Haut langsam auf das gestärkte, pieksige Handtuch lege - wirklich ganz langsam, um das Gefühl zu genießen - und dann schließe ich die Augen, so dass ich mich intensiver auf meine anderen Sinne konzentrieren kann. Ich weiß, dass ich jetzt eine Stunde in kompletter gedanklicher Freiheit vor mir habe, und das Gefühl ist berauschend. Und langsam kommen Sinneswahrnehmungen hinzu.

So merke ich nach ein paar Minuten den Duft nach Nag Champa, der sich in der Wohnung verbreitet, denn ich habe dabei immer Räucherware an - zur Abwechslung momentan gerne dhoop cones, Räucherkegel. Ich genieße diesen Duft für ein paar tiefe, langsame Atemzüge, und dann merke ich, wie mein Körper von innen heraus warm wird; ich trinke immer einen heißen Tee direkt vor dem Hinlegen.

Der weiche Körper, die Signale, die meine Haut Richtung Gehirn abgibt (wegen der pieksigen Handtücher), die Wärme von innen und der Duft werden zudem um Musik bereichert. Durch die Meditationen habe ich die Musikrichtung downtempo überhaupt erst kennengelernt, und dank des Surroundsounds passiert überall um mich herum etwas. Hier fegt ein Wind durch Blätter, dort fallen Regentropfen und da drüben knacken Äste, alles zu einer Musik, die Emotionen wecken kann und keine Songtexte hat, auf die man sich konzentrieren müsste. Und da meine Augen geschlossen sind, fabriziert mein Gehirn die Klangwelt um mich herum, quasi behind closed eyelids.

Und nachdem ich mich so etwa zehn bis zwanzig Minuten eingelebt habe in dieser Atmosphäre, lasse ich meine Gedanken frei. In alle Richtungen, ich möchte alles abarbeiten, was in meinem Gehirn gerade aktuell ist. Und ich sperre keine Gedanken aus: Geh' an die Orte, die Du fürchtest, hat Pema Chödrön geschrieben, und ich verstehe, warum.

Dann bemerke ich meinen musikalischen Fingerzeig; das ist die Stelle im Musikalbum, an der Aufwachen angesagt ist. In der Regel habe ich das Album bis dahin fast komplett durchgehört. Und nur gaaaanz langsam fange ich an, meine Zehen zu bewegen. Die Füße zu drehen. Nach einer Stunde völliger Regungslosigkeit fühlt sich das fantastisch an, und ich mache ganz langsam weiter, um das Gefühl zu verlängern.

Im Studium hätte ich mir niemals die Zeit eingeräumt, um bewusst zu meditieren, das kam erst ganz spät, weil ich immer dachte, dass ich die Zeit sinnvoller nutzen könnte. Aber meine Erfahrung ist, dass es einem hochbegabten Gehirn ganz gut tut, wenn man es regelmäßig frei lässt.

Mittlerweile meditiere ich seit fünf Jahren, und es wird immer noch besser mit jedem Mal.

post scriptum: "Oops." - das ist der Moment, in dem man realisiert, dass man richtig Scheiße gebaut hat. Das kennt Ihr vielleicht. Ich weiß es noch von damals, als ich meine linke Hand betrachtet habe und ganz fasziniert davon war, dass mein Zeigefinger am Mittelgelenk um neunzig Grad nach links abgebrochen war. Daran musste ich denken, als ich mir heute Danny Boyle's "127 Hours" (2010) angeschaut habe. Dort rutscht ein Extremsportler beim Kaminklettern ab, und ein Fels quetscht seine Hand so gegen die Wand ein, dass er nicht mehr herauskommen kann. Wahre Begebenheit, toller Film, und der Moment kommt dort, als der Kletterer realisiert hat, dass er niemandem Bescheid gesagt hat, wo er gerade ist - und ihn somit niemand retten kann. Oops.

Immerhin hat er aus dem Ereignis gelernt - der Film zeigt seine Tortur bis hin zu dem Moment, an dem er sich entschließt, sich den Arm abzuschneiden, mit einem Billig-Multifunktionswerkzeug. Und weiter: Der Film hat in der ungekürzten Fassung völlig zu Recht eine Freigabe ab achtzehn erhalten, denn die Szene, in der er sich seine Sehnen durchschneiden muss, geht in Mark und Bein. Wer sowas nicht abkann, aber trotzdem gern sehen würde, was diese Situation mit ihm angestellt hat, der kann gern die geschnittene Fassung anschauen, bei der wirklich nur die explizitesten Szenen entfernt wurden. Es lohnt sich! Typisch Danny Boyle, flashy, tolle Musik, ein echtes Abenteuer.

Freitag, 12. Oktober 2018

Lessness

Das waren mal meine DVDs

Less bedeutet "weniger". Lessness zu übersetzen stellt mich vor Schwierigkeiten, und vielleicht fragt sich der eine oder andere Leser ja auch, ob es das Wort überhaupt gibt, oder ob Dr Hilarius mal wieder kläglich scheiterte an dem Versuch, mit Sprache zu spielen.

Ich bin mit dem Begriff lessness im Studium in Berührung gekommen. Ist eine längere Geschichte, die American Psycho und meine Examensarbeit involviert - ein anderes Mal. Lessness beschreibt den Zustand des Wenigerseins oder Wenigerwollens. Weniger Details in einem Gemälde, weniger Instrumente in einem Musikstück, weniger dekorative Ecken in einem Haus. In den verschiedenen Künsten geht das bis hin zum Minimalismus - soweit "muss" es nicht immer kommen. Aber ich denke mal, viele von Euch haben irgendwann im Leben einen dieser Gedanken gehabt: "Nein, ich möchte eine schlichte Jacke tragen, nicht so viele Muster darauf, nicht so viele kleine Taschen überall dran." - "Ich möchte einmal Musik hören, die nicht effekt- und instrumentüberladen klingt, denn ich möchte mich auf die einzelnen Tonspuren konzentrieren." - "Ich möchte keine Fertigprodukte mehr essen, keine Geschmacksverstärker mehr, ich möchte erleben, wie so ein Stück Kohlrabi eigentlich schmeckt."

Man könnte den Beitrag jetzt in Richtung sensorische Deprivation fortführen, um herauszuheben, welche positiven Effekte es hat, wenn man die Sinneseindrücke eine Weile minimiert. Ich habe das damals in aller Kürze getan; heute allerdings geht es mir um eine andere Art der Minimierung.

Im Studium wollte ich unbedingt Regalwände haben, die bis obenhin voller Bücher, Musik-CDs und Filme sind. Das kennst Du, oder die große Buba? Warum? Keine Ahnung, wollte ich damit irgendjemandem imponieren? Oder wollte ich einfach stolz sein auf mich selbst - "Schau mal, Doc, so viele Romane hast du schon gelesen!" ...wollte ich mir selbst gegenüber beweisen, dass ich nicht dumm bin? Jedenfalls hat es geklappt, ich war stolz auf meine Reihen an Büchern und Filmen, und konnte damit insgesamt vier Regale füllen.

Aber die Dinge ändern sich. Die Sichtweisen ändern sich. Heute denke ich pragmatisch: "Doc, du lebst jetzt in einer Ein-Zimmer-Wohnung, das mögen 55m² sein, aber der Platz ist trotzdem eingeschränkt. Wo sollte ich die vier Regale aufstellen?" Vor der Frage stand ich beim Einzug tatsächlich, und ich habe versucht, immerhin so viele volle Regale wie möglich aufzustellen. Aber nach dem Einleben ist mir bewusst geworden, dass dieser Anblick mir keine Befriedigung mehr verschafft ("Eigentlich brauche ich das gar nicht!"), und es kamen immer neue Bücher und Filme hinzu. Also habe ich überlegt, wie ich all' diese Regale entrümpeln kann. Und dabei sind ein paar Sachen herumgekommen, die mir das Leben wirklich praktischer gemacht haben:

Von diesen Taschen habe ich mittlerweile drei - je eine für DVDs, Blurays und Videospiele.
Das waren früher einmal unzählige Musik-CDs.
Ich habe ein paar der DVD-Hüllen, CDs etc. aufgehoben, weil sie sich vielleicht gut als Deko machen würden; meine Hitchcock-Sammlung ist ein echter Hingucker. Und das mag oberflächlich klingen, aber ich verbringe sehr viel Zeit in meiner Wohnung und ich bin sehr empfänglich für Sinnesgenüsse. Mein Ziel war es, die Regale komplett loszuwerden, um stattdessen vielleicht ein weiteres Wandtattoo anzubringen, und ich überlege, ob ich eine Art esoterischen Altar in der Wohnung haben möchte. Dr-Hilarius-Buddhismus-Grad plus zehn Punkte.

Aber das trägt alles dazu bei, dass ich mich an meinem Ort sehr wohl fühle. Ich möchte wirklich nicht hier weg.

Und wenn bei Euch jetzt der Eindruck entstanden sein sollte, das hier schon einmal irgendwo gelesen zu haben - kein Wunder, ich habe schon einmal darüber geschrieben... oder auch nicht, jedenfalls kann ich den Beitrag gerade nicht finden. Aber heute ist es mir wieder bewusst geworden, wie sehr mir das Minimieren gefällt. Und wie sehr ich in dieser Wohnung bleiben möchte.

Wie wohl ich mich fühle.

post scriptum: Die Sannitanic geht ja bald zum zweiten Mal unter, ich habe das heute gemerkt, wenn ich ihr einmal die Tür aufhalten wollte - sie ist so fett, da passt niemand mehr durch die Tür! Und ich freue mich wahnsinnig für sie, denn das zweite Kind ist unterwegs. Und, das muss wohl Zufall gewesen sein, aber der heutige Film war "Children of Men" (2006); Regisseur Alfonso Cuarón hat die Frage beleuchtet, wie die Welt wohl aussähe, wenn in einer nahen Zukunft alle Frauen unfruchtbar wären und niemand mehr schwanger werden kann. Ich muss zugeben, der Film ist echt gut, und als mir dann wieder eingefallen ist, dass Cuarón auch für "Gravity" (2013) verantwortlich war, hat das seine Tendenz, die menschliche Psyche offenzulegen, bestätigt.

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Die letzte Zugfahrt

Manches lässt sich nicht trennen

Wir sitzen am Bahnhof, niemand sonst wartet auf den Zug nach Freiburg. Niemand da, der stören könnte, und trotzdem sprechen wir nicht miteinander. Wir blicken beide traurig abwechselnd auf den Boden oder in die Richtung, aus der der Zug kommen sollte. Wir haben beide rote Augen. Ich vom Weinen, Er von der durchgemachten Nacht. Wir sind beide übermüdet; vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum wir nicht miteinander reden. Was sollten wir denn auch besprechen? Worüber unterhält man sich auf der letzten gemeinsamen Zugfahrt? Was sagt man sich, wenn man sich am Zielbahnhof ein letztes Mal in den Arm nimmt? Was sind die letzten Worte, die man dem Menschen sagen soll, der einem so sehr ans Herz gewachsen ist, wenn man weiß, dass man sich nicht mehr wiedersehen wird?

Ich habe mich bereits die letzten zwei Nächte über mit dem Gedanken auseinandergesetzt – aber Er ist sich erst spät, bzw. heute in aller Frühe dieser Realität bewusst geworden. Und dabei hätte es alles toll sein können. Wir beide sind für vier Tage von zuhause geflohen, quer durch Deutschland gefahren und den Europa-Park besucht. Ich hatte versucht, für alles zu sorgen, und Er meinte, dass das ein echtes Erlebnis ist.

Ich will auch gar nicht weiter darüber nachdenken, was zu dieser beschissenen Situation geführt hat. Und nun kommt der Zug, wir steigen ein und zwanzig Minuten später schon wieder aus. Und reden immer noch nicht miteinander. Dann fährt der ICE Richtung Norden ein, wir suchen unsere reservierten Plätze, ein Vierer, und uns gegenüber sitzt eine Frau mit ihrer Tochter. Die Kleine ist so niedlich, dass wir beide lächeln und ein bisschen mit ihr spielen.

Der Zug fährt ab, und ich schaue ihn zum ersten Mal an diesem Tag direkt an, und Er schaut zurück. „Hey, wollen wir uns jetzt stundenlang anschweigen?“ fragt sein Blick mich. Ich lächele traurig, Er auch. Er nimmt sich seinen MP3-Player und setzt die Kopfhörer auf. Ich fasse nach seiner Schulter, bitte noch nicht, bitte lass' uns wenigstens ein bisschen reden. Das tun wir. Unauffällig, weil wir dem kleinen Mädchen nicht alle Details der letzten Nacht servieren wollen.

Aber worüber reden wir nun? Ich schaue auf die Uhr, noch sechs Stunden, dann heißt es Abschied nehmen. Wir schauen uns seit Minuten an, ununterbrochen. Ich möchte nicht mehr wegschauen, und Er auch nicht. „Mama, warum sind die beiden Männer so still?“ Wir lächeln. „Tina, die Männer sind bestimmt sehr müde, lass' sie mal ein bisschen in Ruhe.“ Die Mutter lächelt uns an, und ich verwette mein Gehirn, dass sie genau weiß, woran Er und ich gerade denken. Sie sieht, dass wir traurig sind. Man könnte denken, dass wir uns lieben, ich ihn und Er mich. Und die Mutter lächelt hilflos, denn sie würde uns gern etwas Gutes tun.

Nach einer gefühlten Ewigkeit den Anschauens fragt Er mich, ob es okay ist, wenn Er eine Weile Musik hört. Natürlich ist es das, und wir schließen die Augen und lehnen uns zurück. Ich nehme meine Armbanduhr ab, ich möchte nicht sehen,wie unsere letzte gemeinsame Zeit verrinnt.

Und dann fangen wir doch an zu reden. Wir möchten uns nicht die Schuld geben. „Es war nicht dein Fehler“, sagt Er. Dann ich. Ich nehme seine Hand. Die kleine Tina malt in einem Buch herum. Und selbst, wenn sie das nicht täte: Heute ist es uns egal, was die Menschen um uns herum denken. Wir bekommen gar nichts mehr mit, schauen uns nur wieder an. „Ich will dich nicht gehen lassen“, aber wir haben diesen Entschluss in der letzten Nacht gefällt. Seitdem hatte er nicht mehr mit mir gesprochen, hat sich im Hotel im Bett weggedreht, weil er nach und nach die Tragweite dieses Entschlusses einschätzen konnte.

Und plötzlich fangen wir an, ehrlich miteinander zu reden. Über Gefühle, über alles, was wir erlebt haben. Über die irren Nächte, über die schönen Zeiten, ich halte immer noch seine Hand. Wir würden das niemals zuhause in der Öffentlichkeit gemacht haben, denn ich war nie ein gutes Gesprächsthema in seiner Welt, und deswegen hat Er versucht, mich geheim zu halten. Aber nun, mehrere Hundert Kilometer entfernt von den Menschen, die nicht wollen, dass wir befreundet sind, nun können wir endlich authentisch sein. Wir haben noch nie so offen gesprochen wie auf dieser Zugfahrt, haben uns angeschaut und die Mutter gegenüber lächelt uns weiter an. 

Wir haben Eis gebrochen, und wir reden über alles, was in unseren Herzen vor sich geht. Wir haben Angst davor, zurückzukehren in eine Welt, in der wir wieder Rollen spielen müssen, in der wir nicht wir selbst sein dürfen. Wir würden so gern diese Zugfahrt ewig ausdehnen, denn Er redet wie ein Wasserfall von seinen Gedanken und Gefühlen, und für eine Weile wirkt es, als würden wir uns in einer leuchtenden Kugel befinden, in der wir endlich ehrlich sind und keine Blicke von außen fürchten müssen.

Dann fährt der Zug durch den Bahnhof Hamburg-Harburg, und wir realisieren, dass die Heimat immer näher kommt - und das Leuchten unserer Kugel wird schwächer. Er setzt seine Kopfhörer auf, ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Habe ich ihn lang genug angesehen, dass ich in Zukunft ohne diesen Anblick werde auskommen können?

Time will tell...

______________________________________

Und ich erspare Euch die letzten Momente nach der Ankunft in Kiel. Warum schreibe ich das hier überhaupt? Weil Streit, unschöne Gefühle, Tiefen einfach zu jeder zwischenmenschlichen Beziehung dazugehören. Und die Geschichte zeigt uns vor allem eins: Solche traurigen, schweren Zeiten machen uns stärker. Warum würde Er sonst immer noch für mich aufgeschlossen sein?

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Die erste Zugfahrt

Aller Anfang ist schwer...

Es ist früher Abend, als ich im Bus sitze. Langsam dämmert es, kein Wunder, es ist Herbst. Es wird kälter, aber so wirklich nehme ich das nicht wahr, denn ich fühle mich schon kalt genug. Ich fahre zum Bahnhof, habe einen Rucksack mit Zeitschriften, Büchern dabei, außerdem eine Sporttasche mit Wäsche, die gewaschen werden muss.

Bevor ich am Bahnhof in meinen Zug steige, hole ich noch vom Zeitschriftenladen den aktuellen Intelligenztrainer und von Pizza Hut etwas Wegzehrung. Ich habe noch über zwanzig Minuten, bis der Zug nach Neumünster abfährt, und so genieße ich die Pizza, habe einen Viererplatz im Zug ganz für mich und schaue hinaus, auf das, was sich später einmal Bahnhofshalle nennen soll. Es dauert schon ewig, es wird auch weiterhin ewig dauern, kann mir aber egal sein, ich mache mir sowieso nicht viel aus Kiel, ich werde hier neun Semester studieren und dann haue ich wieder ab.

Es ist im Herbst Zweitausenddrei, und ich habe die erste Woche in meiner neuen Wohnung hinter mir, in meiner neuen WG, und ich vermisse meine Eltern wirklich sehr. Ich bin so froh, dass jetzt Wochenende ist und ich sie besuchen kommen kann. Die ersten Nächte in Kronshagen waren die Hölle. Alles so allein und ruhig und Conny nervt.

Eine gute halbe Stunde Fahrt später sitze ich im Anschlusszug nach Dithmarschen. Das ist der, der nur zwanzig Kilometer in der Stunde fährt und alle paar Minuten Warnsignale in die Nacht hinaus trötet, falls Kühe auf den Gleisen grasen. AKN. Nach H, und dann nach B.
______________________________________

Das war vor fünfzehn Jahren. Heute sitze ich wieder im Zug, wieder die Pizza neben mir. Nur dass es jetzt nicht mehr die AKN ist, sondern die nordbahn, und dass die Kieler Bahnhofshalle fertig ist. Und dass ich nicht mehr in Kronshagen wohne, nicht mehr in einer WG, und meine Wäsche inzwischen selbst wasche. Und der Intelligenztrainer heißt mittlerweile Intelligenzrätsel.

Hat sich also Vieles verändert, und mittlerweile will ich auch gar nicht mehr aus Kiel weg. Aber es war ganz spannend zu erleben, wie all' diese Gefühle bei so einer Zugfahrt wieder hochkommen können.

Vermisse ich das Studium? Nein. Jedesmal, wenn ich einen Film über Studenten sehe, bin ich eigentlich ganz froh, dass ich einen Schritt weiter bin. Unabhängiger, selbstbewusster. Und mehr nach vorne schaue. War eine geile Zeit, aber ich bin froh, dass sie vorbei ist.

Coming of age und so...

Sonntag, 7. Oktober 2018

My Amazon Wishlist


Hier geht es zu meinem Amazon-Wunschzettel - erst lesen:

Die Generation der digital natives wächst mit neuen technischen Errungenschaften auf, die allesamt einen Katalog bis dato eher unbekannter Verhaltensmuster mit sich gebracht haben. Gut, genau genommen kann man das über jede Generation sagen. Wir hatten damals unter anderem das Super Nintendo Entertainment System, und auch das hat interessante Verhaltensweisen in uns herausgekehrt. Binge gaming anyone?

Das heutige Teil ist gewissermaßen ein Faszinosum für mich, weil es in meinem Kopf viele Fragen von Warum? weckt und mir die Antworten netterweise nicht gleich mitliefert, so dass ich meinen Kopf ein wenig anstrengen muss, um das herauszufinden. Es geht um etwas, was mir aufgefallen ist bei Bloggern und, noch viel weiter verbreitet, bei Youtubern. Das sind diese Menschen, die eine Möglichkeit haben, Videos von sich selbst aufzunehmen - wer hat das heutzutage nicht? - und diese Videos dann auf einer Onlineplattform zu veröffentlichen - wer macht das heutzutage nicht? (möchte man fast fragen). Das sind unterschiedlichste Videos - Schminktipps, Comedy, Menschen, die Musik machen, Videospieler, die Nutzer bei sich zusehen lassen, Fitnessjunkies, die entweder Tipps geben wollen, oder aber einfach ihren Körper präsentieren wollen - oftmals Beides.

Das lockt Nutzer an, viele dieser Youtuber haben Hunderte, Tausende, Hunderttausende Subscriber - Menschen, die ihnen folgen und jedes neue Video gierig verspachteln, als seien sie Verdurstende in der Wüste. Sie hängen ihren Youtubern an den Lippen, sie sind Fans, sie fressen ihnen aus der Hand.  Und, tut mir Leid, das muss ich hier jetzt auch erwähnen - Offenheit und so - ich weiß, dass auch der eine oder andere Leser dieses Blogs oftmals nur darauf wartet, dass ein neuer Beitrag erscheint. So hat eben jeder, der sich im Internet der Öffentlichkeit preisgibt, seine kleine Fangemeinde, oder zumindest gewogene User, und ebenso natürlich auch seine Hassgemeinde, die ihn am liebsten aus dem Internet löschen würde (und einige von ihnen können trotzdem nicht einfach wegklicken, sondern lesen den Stuss hier).

Man fängt dann an, von seinem eigenen Stil ein bisschen abzurücken und den Usern das zu geben, was sie gerne sehen möchten. Beispiel gefällig? Uwe Schüder, im Internet unter dem Namen flyinguwe vielen Menschen ein Begriff, hat vor Jahren angefangen, Kampfsportvideos von sich zu posten. Sein Talent für Sprungkicks (nennt man das so???) hat ihm seinen Internetnamen eingebracht. Nun ist es aber einmal so, dass er diese Videos ab und an in sportlicher Kleidung aufgenommen hat. Manchmal konnte man dabei so ganz unauffällig erkennen, dass er einen ziemlich durchtrainierten Körper hatte. Und was muskulöse männliche Körper in manchen Menschen auslösen können, darüber hatte ich an anderer Stelle einmal geschrieben (übrigens ein Beitrag mit überdurchschnittlich vielen Klicks; woran das nur liegen mag??).

Natürlich ist es auch Uwe nicht verborgen geblieben, dass die Videos, in denen er etwas Haut zeigt, wesentlich mehr Aufmerksamkeit bekommen als die komplett bekleideten Kampfsportvideos. Und so hat er, weil er genau diese Aufmerksamkeit genießt (kann ich verstehen), seinen Youtube-Kanal und seine Internet-Persona nach und nach umgerüstet. Ist anteilmäßig nicht mehr so viel mit Kampfsport, sondern viel mehr mit Muskeln. Fitnesstipps und er nutzt jede Möglichkeit, um seinen Followern seinen Körper zu präsentieren. Nicht falsch verstehen, ist ja vollkommen in Ordnung, mir ging es nur darum, herauszustreichen, was unsere Internetpräsenz mit uns anstellen kann, und ich hoffe, dass ich mich im Laufe dieses Blogs nicht zu sehr gewandelt habe, sondern immer noch von mir aus schreibe, nicht zu sehr von dem ausgehend, was Ihr vielleicht lesen wollt.

Diese Internet-Berühmtheiten neigen dazu, ihre Arbeit als Einkunftsquelle zu nutzen. Sei es nun, dass sie ihre Videos mit Werbung versehen oder ihre Fans um Unterstützung bitten. Man muss das einfach zur Kenntnis nehmen, dass es ein paar Menschen gibt, die davon wirklich gut leben können. Manchmal ein bisschen zu gut, zumindest erscheint es mir so, und woher kommt das? Jetzt kommen wir langsam zur Warum-Frage dieses Beitrags. Warum tun ihre Follower das? Warum schenken sie ihnen alles Mögliche? Drolliges Beispiel ist die Amazon-Wishlist.

Ich denke mal, wir alle kennen dieses riesige Versandhaus, das so nach und nach die Welt zu übernehmen scheint. Ich kenne es seit bald zwanzig Jahren (oder so) und ich muss zugeben, ich nutze es sehr gern. Vor einiger Zeit habe ich deswegen die prime-Mitgliedschaft erworben, für Gratisversand und Filme. Eine der Funktionen dieser Onlineseite ist die Wunschliste: Manche Sachen hätten wir gern, haben sie aber im Moment nicht. Weil die Finanzen nicht ausreichen, oder weil andere Sachen einfach wichtiger sind. Bei so gut wie jedem Artikel, den wir auf der Seite anklicken können, haben wir neben In den Einkaufswagen auch die Option Auf meinen Wunschzettel, und so kann man sich also, wenn man einen Account bei Amazon hat, eine eigene Wishlist führen.

Das hat sogar Vorteile; ich dagegen habe seit Jahren immer einen handschriftlichen Zettel an meiner Pinnwand, auf dem ich Sachen notiere, die ich mir im Moment noch nicht kaufen kann oder möchte, die aber interessant sind. Oder ich setze mir Bookmarks zu den Artikelseiten. Der Wunschzettel ist tatsächlich wesentlich übersichtlicher und komfortabler, mit einem Klick erledigt.

Was allerdings manche Internet"stars" damit machen, fasziniert mich: In ihren Profilen posten sie ihren Wunschzettel, für jedermann sichtbar. Man findet diesen Link dann unter jedem ihrer Videos, neben jedem ihrer Fotos, einfach überall, und es kommt, wie es kommen muss: Manch' ein Follower schaut sich die Wunschliste seines Stars an und erfüllt ihm dann einen oder mehrere dieser Wünsche. Und dann kommt es so, dass viele Youtuber ein sogenanntes unboxing video online stellen: ein Video, auf dem sie das Paket vom Versandhandel dann auspacken.

Warum?

Warum fasziniert das so viele Nutzer? Warum sehen sie so gern, wie andere Menschen ihre Geschenke auspacken? Warum kommen sie überhaupt auf die Idee, die Wunschzettel anderer, wildfremder Menschen abzugrasen? Warum funktioniert diese Maschinerie seit Jahren, und warum wird sie auch noch ewig weiterlaufen?

Und jetzt bitte nicht vernünftig argumentieren, denn diese Argumente kenne ich: Wenn einer der Internetstars sich wirklich Mühe gibt für seine Follower, und ihnen wirklich etwas Tolles zu bieten hat, dann möchte man sich irgendwann irgendwie bedanken. Nicht nur stiller Mitleser sein, sondern irgendwie diesem Menschen ein Kompliment aussprechen. Und dann möchte man es vielleicht auch gern sehen, wie dieser Mensch das Paket öffnet, das man ihm geschenkt hat, und wie er darauf reagiert.

Ist ja alles nachvollziehbar. Aber wenn man dann sieht, wie der eine oder andere Youtuber seine Wohnung mit High Tech ausrüsten kann, mit einer fetten Karre vorfährt, wenn man sieht, was da für Werte fließen und es aufrechnet gegen den Aufwand, der dafür getätigt wurde, dann... nun, es bleibt bei mir eben immer noch die Frage Warum?

Um das einmal zu erleben, habe ich nun also selbst einen Wunschzettel erstellt. Und damit das gleich klar ist: Ich erwarte nicht, dass irgendjemand von Euch mir etwas davon schenkt - denn zum einen habe ich wirklich nichts getan, um das zu verdienen und zum anderen liegt meine größte Genugtuung in den Rückmeldungen, die ich immer mal wieder von Euch bekomme. Ich möchte nur einmal ausprobieren, wie das funktioniert. Wie erstelle ich so eine Wishlist, wie sieht das nachher aus, wie fühle ich mich, wenn so etwas öffentlich zugänglich ist. Ich möchte dem Warum-Verständnis durch eigene Expertise etwas näher kommen. Denn sicherlich entbehrt auch dieser Gedanke nicht jeder Grundlage: Zeige mir Deine Amazon-Wishlist und ich sage Dir, wer Du bist. Wer das über mich herausfinden möchte...

...der findet hier meinen Amazon-Wunschzettel.


Samstag, 6. Oktober 2018

Eingefroren

Freeze!

Für mich war das Studium die große Zeit des Ausprobierens. Auf einmal waren so viele Barrieren weg, so viele neue Wege verfügbar, die Freiheit fühlte sich geradezu unendlich an. Und trotzdem habe ich mir auch schon damals selbst im Weg gestanden: Wenn etwas gerade in war, wenn alle etwas gemacht haben, Trends, Hypes, dann war ich von der Bildfläche verschwunden. Irgendwie hatte ich immer eine Abneigung gegen Trends, und ich wollte nie ein Insider sein.

Umso drolliger ist es irgendwie, dass ich damals von der Flashmob-Welle erfasst worden bin. Das war noch bevor diese große Welle Deutschland überspült hat, bevor jede Schulprojektwoche ein Flahmob-Projekt hatte, bevor solche Events nicht nur multimedial geplant, sondern auch live im Fernsehen übertragen wurden - kurz: Bevor die Flashmobs aufhörten, Flashmobs zu sein.

Denn genau das gehörte ja gerade bei diesen sehr speziellen Aktionen dazu: Es sollte ungeplant wirken. Ohne Absprache. Spontan. Aus heiterem Himmel taten Menschen etwas Unerwartetes, und die Nichteingeweihten schauten sich erstaunt um. Das war eigentlich nichts Neues, es hat sich aus der Szene des Improvisationstheaters heraus entwickelt, ging in Übersee los und ist herübergeschwappt. Und hat sich dann leider selbst zersetzt und weichgespült.

Bei einem Flashmob ist wichtig, dass die Aktion wie aus heiterem Himmel geschieht (Flash eben). Dass alle Mitglieder diszipliniert sind. Dass die Aktion nicht aufgesetzt wirkt, sondern aus dem ganz normalen Alltag heraus. Und dass danach alle weitergehen, als wäre nichts gewesen. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist der Freeze von ImprovEverywhere an der Grand Central Station gewesen:

Man beachte: Die Teilnehmer, hier undercover agents genannt, gehen am Ende einfach davon. Kein Abschlusstreffen, keine Manöverkritik. Der Applaus kommt von den Menschen, die von der Aktion überrascht wurden. Ein ganz klassischer Flashmob, wenig originell, aber sehr effektiv - wenn man ihn richtig macht.

Es geht aber auch anders, und so hat sich damals im StudiVZ eine Aktion entwickelt, um das Einfrieren am Kieler Hauptbahnhof nachzuspielen. Gut, okay, nicht originell, aber warum nicht. Ich war auch neugierig, und dementsprechend bin ich auch zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort gewesen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Flashmobs erlebt und auch organisiert (dazu unten mehr), und war letztlich von der Aktion im Bahnhof etwas ernüchtert. Doch vielleicht solltet Ihr einen Blick auf das Ereignis werfen, das Alexander Main organisiert und in ein Video zusammengeschnitten hat.

Also, eigentlich sieht das doch super aus. Und irgendwie war es auch witzig. Aber meiner Auffassung von Impro nach ist das kein richtiger Flashmob. Es sind viel zu viele Teilnehmer: Der Kieler Hauptbahnhof ist niemals so voll (außer bei Großereignissen); es wirkt sehr aufgesetzt, wenn die Rate der Teilnehmer:Passanten bei 40:1 liegt. Dazu kommt, dass einige Teilnehmer sehr kreativ sein wollten und sich in Posen gesetzt haben, die sicher nett gemeint waren, aber mit der Grundidee des "aus heiterem Himmel einfrieren" nichts mehr zu tun haben - zum Beispiel der Mann mit heruntergelassener Hose, der Mann mit Pistole, die "nichts sehen, nichts hören, nichts sagen"-Damen... alles kreativ, ja, aber lässt den Flashmob noch künstlicher wirken. Und wie passend, dass bereits Menschen mit Fernsehkameras dabei waren, um abends im Schleswig-Holstein-Magazin übertragen zu können. Und dann die Selbstbeweihräucherung danach - nachdem alle wieder "aufgetaut" waren, beklatschten sie sich zunächst selbst, um dann noch für ein Gruppenfoto am Seiteneingang des Bahnhofs zu posieren.

Sorry, das ist dann zwar eine künstlerisch interessante Aktion, aber definitiv kein Flashmob mehr im klassischen Sinne. Ich fand es witzig, aber auch sehr eierschaukelnd, mir fällt gerade kein vernünftiger Begriff ein. Und letztlich hat das dazu geführt, dass mein Interesse an den Flashmobs wieder abgeklungen ist, denn in Deutschland wurden daraus nach und nach abgesprochene, geplante, gründlich inszenierte Aktionen, die meinetwegen Mobs sind - aber da flasht definitiv nix mehr.

Ich habe damals bei meinen "eigenen" Flashmobs versucht, den Grundprinzipien treu zu bleiben. Eine Aktion allerdings hat mir - einige Zeit später - vor Augen geführt, dass ich mich in genau dieselbe Richtung entwickelte. Vor fast genau zehn Jahren habe ich eine Kissenschlacht über soziale Netzwerke angeleiert. Auf ein Zeichen hin sollten Passanten aus heiterem Himmel aufeinander einprügeln. Auf Studenten kann man sich verlassen; so nahmen an dieser Aktion mitten auf der Kieler Holstenstraße ungefähr vierzig Flashmobber teil. Der schönste Moment war für mich, als ein Bankangesteller, elegant angezogen, pomadiertes Haar, versucht hat, sich zwischen den Kissnschlachtern hindurchzuschlängeln; er hat mir fast ein bisschen leid getan, doch dann holte er wie aus dem Nichts ein Kissen hervor und stürzte sich in' s Getümmel.

Ich habe daraus ein Video erstellt, genauso selbstbeweihräuchernd wie das Video von Herrn Main, und das hat dann tatsächlich dazu geführt, dass ich mich von den Flashmobs abgewandt habe. Irgendwie war es schon ein cooles Gefühl, so eine Aktion anzuleiern. Deswegen war ich so gern bei den Saturnalien. Und genau dieses "Anführergefühl", bzw. meine Vorliebe dafür, habe ich hassen gelernt ^^

Und hier also das Video von damals, das wegen der Tonspur vermutlich bald gesperrt werden wird. Whatever.



post scriptum: Ich hatte einmal darüber geschrieben, dass ich gern gestärkte Handtücher als Unterlage nehme. Bisher habe ich diesen Effekt mit Wäschestärke erzielt, jetzt aber - weil sie im Supermarkt unten ausverkauft war - habe ich mich gefragt, ob ich einfach auf Speisestärke umsteigen kann. "frag-mutti.de" hat mir dann weitergeholfen und ich werde nun keine Wäschestärke aus dem Waschmittelregal mehr nehmen. Die Hausfrauenalternative ist günstiger und belastet die Umwelt nicht, und die Handtücher krachen bei'm Drauflegen - so soll es sein.

paulo post scriptum: Der heutige Film war Sam Raimis "Drag Me To Hell" (2009), ein Horrorfilm mit witzigen Untertönen, wie man es wohl von Raimi kennt - war richtig, richtig gut, visuell und akustisch ein Genuss, und ich habe herrlich gelacht, als ein "Geist" an die Windschutzscheibe eines Autos geklatscht ist, BOO-Moment, und was macht die Protagonistin? Wischt ihn mit dem Scheibenwischer weg, großartig. Tobi, kam der Tipp von Dir? Falls ja: Danke!

Freitag, 5. Oktober 2018

Tü tü de lü... TÜV!


Ich habe zu Autos ein, nun ja... ein seltsames Verhältnis. Ich finde Autos toll, Ich fahre gern, aber ich bin nicht in der Lage, mich vernünftig um mein Auto zu kümmern: Müll rausräumen, durchsaugen, waschen, Ölstand messen, Scheibenwischerwasser whatever, all' diese Kleinigkeiten vergesse ich. Ich werde mir da eine andere Verhaltensweise antrainieren müssen, wenn ich irgendwann mein eigenes Auto habe (und irgendwie freue ich mich darauf).

Bis dahin allerdings fahre ich mit einem Gebrauchtwagen, und der hat Einiges mitgemacht. Vor fünf Jahren hat er mir die Touren nach St.Peter-Ording ermöglicht, morgens um vier Uhr aufstehen, Downtempo-Musik oder Radio einzuschalten und dann fast zwei Stunden bis an das äußerste Ende von Eiderstedt, das war eine spannende Phase. In dieser Phase hatte ich dann auch meinen Autounfall, selbst verschuldet, bei regennasser Fahrbahn in einer S-Kurve zu schnell gelenkt, Lenkung blockiert und ganz fix ging es dann rückwärts auf die Gegenfahrbahn, zweihundert Meter lang, und dann in einen Acker. Landung. Und viel Glück gehabt: Es war Gegenverkehr vorhanden, aber in sicherem Abstand, und das hatte den Vorteil, dass jemand sich um mich gekümmert hat.

Das war ein irres Erlebnis, das werde ich wohl nie vergessen, naja, jedenfalls hat das Auto einige Kratzer, Dellen und Schrammen mitbekommen, aber es ist immer noch weitergefahren. Dann kam die Phase mit Neumünster, ein Jahr lang über die Autobahn bügeln, Fahrtwind genießen (quasi), Musik, Sonne, kaum zu glauben, was dieses Auto noch alles aushält. Und dann kam der Herbst Zweitausendachtzehn immer näher: Termin zur Hauptuntersuchung a.k.a. TÜV.

Ich bin sehr froh, dass wir in Deutschland den TÜV haben. Als Freizeitparkfan gibt mir das Sicherheit. Keine Achterbahn darf in Deutschland in Betrieb genommen werden, ohne vom TÜV auf Herz und Nieren geprüft zu sein. Dieser Technische ÜberwachungsVerein ist schon was Tolles. Und gründlich. Und leider so gründlich, dass ich keine Hoffnung hatte, dass mein Wagen, der wirklich quietscht und kracht und was es noch so gibt... Gedankenzug. Jedenfalls hatte ich keine Hoffnung, dass er noch einmal das TÜV-Siegel bekommt.

Und dann hat es doch geklappt. Mit einem Tausender an Werkstattkosten hat das Auto nun tatsächlich die Erlaubnis, zwei weitere Jahre zu fahren. Und das finde ich deshalb so toll, weil ich in zwei Jahren vielleicht verbeamtet bin und endlich die Finanzierung meines eigenen Autos angehen kann. Das wird sehr aufregend, ich hoffe, Er gibt mir da auch ein paar Tipps dazu. Und bis dahin darf ich wieder mit meinem Unfallauto die Straßen unsicher machen.

Es ist ein tolles Gefühl, mobil zu sein.

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Ein anderes Gefühl von Bett


Ein paar Tage weit in die Ferien hinein, und so langsam wird mir das bewusst, so langsam kann ich das genießen. Das deutlichste Signal für mich ist, dass das Schlafengehen sich komplett anders anfühlt. In der Schulzeit gehe ich abends zu Bett mit dem Gedanken "Uh, nur noch sechs Stunden, dann muss ich schon wieder aufstehen", und manchmal versuche ich mich auf Krampf zum Einschlafen zu bringen, bis es irgendwann heißt "Oh, nicht einmal mehr zwei Stunden, bis der Wecker klingelt".

Das ist jetzt vollkommen anders - egal, um welche Uhrzeit ich in's Bett gehe, ich weiß, dass die Wecker ausgeschaltet sind, und drifte vollkommen entspannt in den Schlaf. Und irgendwann wache ich wieder auf, und es gibt da kein zu spät oder verschlafen. Ich wache auf, wenn ich mich ausgeschlafen fühle, und so beginnt dann auch der Tag gleich ganz anders. Energetischer. In den Ferien erlebe ich quasi ein ganz anderes Gefühl von Bett, und ich liebe es.

Auch, wenn es ein paar Tage gedauert hat; ich mache mir für die Ferien immer irgendwelche Pläne, so nach dem Motto Aufräumen oder Ernährung umstellen oder so 'nen Kasperkram. Am ersten Ferientag geht's los, so denke ich mir - aber dann merke ich jedesmal wieder, dass ich vielleicht erstmal das Feriengefühl ein bisschen genießen sollte.

Und so gammele ich in die erste Ferienwoche hinein und genieße das Leben aus vollen Zügen und in überfüllten Bussen, ist ja schließlich noch eine ganze Weile hin, bis der Schulalltag wieder ruft.