Montag, 17. Juli 2017

Das Ding mit der Flexibilität

Warum nicht auch einmal in andere Richtungen denken?

Ich bin nicht flexibel. Ich brauche Sicherheit. Ich brauche einen Plan. Am wohlsten ist mir, wenn ich genau weiß, was in den nächsten Stunden passieren wird, wie ein Drehbuch, das abgespielt wird. Wäre das alles unsicher, würde mein Gehirn in tausend Richtungen denken, in einem Mordstempo, und alle Möglichkeiten ausloten - so viele, dass ich den Überblick verliere. Ich kann mein Gehirn nicht (so einfach) bremsen. Aber ich kann es in Bahnen lenken, und das tut mir gut. Ähnlich ist es wohl mit Autisten oder Aspergern, die sich auch eine klare Struktur wünschen. Die keine Eventualitäten in ihrem Tagesablauf haben möchten.

Heute hatte ich eine Lehrstunde in Flexibilität. Der erste Tag der Projektwoche ist rum, und es hat sich genau so entwickelt, wie ich mir das gedacht habe (soviel zum Thema "sichere Abläufe"). Wir haben das Schwimmbad gespielt, und natürlich habe ich mir einen Lösungsweg zurechtgelegt. Natürlich habe ich einen Weg im Kopf, wie der Spieler handeln soll, was er benutzen soll, was er sagen soll. Aber ich bin zur Flexibilität gezwungen, denn mein Geisteskonstrukt hat keiner der Spieler im Kopf.

Die kommen auf ganz unterschiedliche Ideen, zum Beispiel hat eine Tür ein verrostetes Schloss. Eigentlich sollte der Spieler dem Barkeeper den Schlüssel dafür abschwatzen, mit einer Runde Stein-Schere-Papier. Stattdessen haben die Leute sich im Park hinter dem Schwimmbad einen handlichen Stein organisiert und damit das Schloss aufgebrochen. Okay! Lasse ich gelten!

Auch ganz klasse war: In einer Umkleidekabine befindet sich ein Werkzeugkoffer, das konnte man erkennen, indem man durch den Spalt unter der Tür schaut. Eigentlich sollte der Spieler sich mithilfe geschickten Redens den Schlüssel für die Umkleide organisieren, es wurde aber anders gelöst: Mittels eines Bolzenschneiders (regulär im Spielablauf), den wir unter der Tür hindurch schieben, wurde das Schnappschloss des Werkzeugkoffers geöffnet. Der Koffer wurde aufgeklappt und war dann schmal genug, um unter der Umkleidetür herausgeangelt zu werden. Irre, auf was für Ideen die Schüler so kommen... Es hat mir gut getan, auch mal alternative Lösungsvorschläge für Rätsel gelten zu lassen. Dem Spieler mehr Freiraum geben - so kommen auch lustige und abgedrehte Ideen in das Spiel.

Flexibel sein. Für mich schwer, aber machbar.

post scriptum: Genau genommen erfindet das Spiel sich zum Teil selbst während des Spielens. Sehr cool! Und es war nostalgisch-schön, nach etwa zwanzig Jahren das Schwimmbad mal wieder auszupacken - die Sannitanic möchte das auch mal spielen, deswegen poste ich hier keine inhaltlichen Spoiler ;-)

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