Freitag, 28. Juli 2017

Ambient und ich

Neue Musik, neue Erfahrungen...

Ich dachte eigentlich immer, Ambient sei so eine Musikrichtung, die im Hintergrund läuft. Unaufdringliche Melodien, keine Texte. Lieder, die man bei Gästen im Hintergrund laufen lassen kann. Ich dachte zum Beispiel, Oxycanta sei Ambientmusik. Dann habe ich in einer Rezension gelesen, dass nur die letzten Stücke dieses wunderbaren Albums diese Bezeichnung verdienen. Mittlerweile verstehe ich, warum das so ist.

Eine Meditation dauert bei mir immer etwa eine Stunde. Genauer gesagt: Sie dauert ein Album. Denn ich lasse mich von Konzeptalben begleiten. Im Idealfall Alben, die eine Art Reise beschreiben, bzw. zu denen mein Gehirn sich eine Reise ersinnen kann. Diese Alben haben idealerweise keine Pausen zwischen den Tracks, sondern sind als full mix abgemischt. Sie liegen in sehr hoher Soundqualität als FLAC-Dateien vor. Sie machen Gebrauch von Surroundsystemen, sind mindestens als 5.1 aufgenommen.

Das ist nämlich mein persönlicher Idealtyp der Meditation: Ich liege auf der umgeklappten Couch, natürlich nackt für maximale Freiheit und unverfälschtes Sinnesempfinden der Haut. Die Augen sind geschlossen, behind closed eyelids beginnt für mich die Reise. Die Musik ist überall: Ich kann die Lautsprecher räumlich nicht ausmachen, denn wenn man sich mit Surroundsound umgibt, erfährt man die Bedeutung des Begriffs "Klangwelten". Und ich bin mittendrin. Um mich herum fantastische Welten, suggeriert durch die Musik.

Das kann ich mit jeglicher Musik machen, die mir für den Zweck zusagt, und wie schon öfters in diesem Blog beschrieben, haben sich die Alben abgelöst: Zuerst gab es für mich überhaupt keine Alternative zu Hallucinogen in Dub, doch dann kam ein Franzose und hat das Album vom Thron gekickt. Nebulae (Live at the Planetarium) war von da an die Musik, zu der ich meditieren wollte, die Musik, die mich auf die Gedankenreise mitnehmen sollte. Dann wurde ich auf Oxycanta aufmerksam, und schließlich auf das vor Kurzem erschienene Album Polarity (natürlich vom Downtempo-Label meines Vertrauens, ultimae records).

Warum die Alben "besser" waren als ihre Vorgänger? "Naja, Du hast Dich bestimmt sattgehört an denen, ein bisschen Abwechslung tut auch mal ganz gut." - Nein, habe ich nicht. Ich kann mich an ihnen nicht satthören, dazu sind sie zu komplex, zu progressiv. Nein, diese Alben haben es geschafft, die Welten meiner Gedankenreise plastischer darzustellen. Und nun sind wir beim Ambient: Diese Musik ahmt nach, was um uns herum vor sich geht - etymologisch betrachtet - und der Effekt ist absolut fantastisch: Zu Beginn von Polarity bin ich in einer großen Halle, und hier und dort sind Aufbauten, zwischen denen Vögel hin und her fliegen. Und es geht so weiter.

Das heißt, Polarity, bzw. Ambientmusik schenkt mir nicht in erster Linie schöne Melodien, sondern detailreich ausgestattete Welten, in denen die Musik selbst eine untergeordnete Rolle spielt, und ich fühle mich in dieser Welt wohl - das scheint die perfekte Begleitung für meine Gedankenreisen zu sein. Dass Polarity Größen aus der Downtempo-Szene an einen Tisch holt, muss ich hier nicht extra erwähnen. Dass aber die AMBIENT side nur eine Hälfte des gesamten Erlebnisses ist, dass soll jeder für sich selbst entdecken, wenn er möchte.

Ich reise weiter...


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