Montag, 24. Juli 2017

Akte X


So, die Sommerferien haben begonnen, herzlich willkommen in der Freizeit. Irgendwann im Studium habe ich gemerkt, dass die Ferien mir gefährlich werden können: Wenn ich geistig nicht genug ausgelastet bin, geht es mir richtig mies. Also habe ich mir damals gesagt, dass ich mir eine Beschäftigung zulege, wenn Ferien anstehen. Das kann ein neues Videospiel sein, oder ein neues Buch (ich habe ewig nicht mehr gelesen... würde mir zu diesem Zeitpunkt vielleicht ganz gut tun), oder aber eine neue Serie.

So habe ich vor einigen Monaten mit den X-Files gestartet - und am vergangenen Wochenende die zehnte Staffel beendet. Das war eine phänomenale Entscheidung! Für mich als Hochbegabten bieten die X-Files eine ganze Menge, wissenschaftliche Theorien, ungewöhnliche Erkrankungen, übernatürliche Vorfälle - ich habe mich dort sehr gut aufgehoben gefühlt. Es war immer wieder schön, mit Mulder und Scully ungewöhnliche Fälle zu lösen.

Was sind die X-Files eigentlich? In einer Episode wird erklärt, wie es zu diesem Namen kam: Es geht um Fälle des FBI, die nicht gelöst werden konnten und daher unter U für unsolved zu den Akten gelegt wurden. Weil aber irgendwann das Register unter U voll war, hat man die Akten unter X einsortiert, und auf diese Weise wurden sie zur Akte X.

Hauptfiguren sind zwei Ermittler des FBI, Fox Mulder und Dana Scully. Mulder glaubt an das Übernatürliche, und durch seinen Instinkt und seine mentale Offenheit gelingt es ihm oft, die richtige Spur zu finden. Scully ist studierte Ärztin, Wissenschaftlerin, und holt Mulder mit ihrer Forderung nach Beweisen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück - im Laufe der Serie allerdings wird Alles, woran sie glauben, auf die Probe gestellt.

Jede Episode fällt in eine von zwei Kategorien. Monster-Of-The-Week-Episoden, die sich mit unnatürlichen Vorfällen beschäftigen, in sich abgeschlossene Fälle, und Mythology-Episoden, die jeweils Teil eines großen, umfassenden Handlungsrahmens sind. Was die Mythologie ist? Naja, es hat etwas mit Außerirdischen zu tun, aber keine Sorge, die Serie geht da ganz nüchtern ran.

Überhaupt sind die X-Files in ihrer Anfangsphase gar nicht mal so unrealistisch gewesen. Vor allem ungewöhnlich, und das hat mir sehr zugesagt, der ich ja ebenfalls in die Kategorie "ungewöhnlich" falle. Die erste Staffel, das war ein richtiges Pilotprojekt, und sie bestand fast nur aus Monster of the Week-Episoden. Nichtsdestotrotz wurden mit dem Staffelfinale einige Türen geöffnet. Viele Handlungsstränge wurden aufgetan - um weiter erzählen zu können, falls die Serie erfolgreich sein sollte.

Und sie war erfolgreich. Was trägt alles zu ihrem Charme bei? Sind es die ungewöhnlichen Charaktere, die auftauchen? Ist es die Chemie zwischen Mulder und Scully? Sind es die catchphrases a la "The truth is out there."? Die zweite Staffel hat ein neues Element in die Serie gebracht, die bis dahin hochspannend, düster und mysteriös war, nämlich den Humor. Die Episode Humbug (S2E20) lebt von rabenschwarzem Humor, geschickt eingebauten one liners, subtil und subversiv. Das hat mich besonders gereizt, das war ein sehr kranker, abgefahrener Humor, das hat gut getan.

Fünf Staffeln lang gab es die X-Files, mit teilweise hervorragend gefilmten Episoden. Manchmal waren es einfach die schrägen Ideen, die mich angesprochen haben, wie z.B. in der Episode Soft Light (S2E23): Ein Mann gerät derart in einen Teilchenbeschleuniger, dass von da an sein Schatten eine Art Antimaterie darstellt. Jeder, der auf seinen Schatten tritt, wird angezogen und in reine Energie umgewandelt.

Was mich besonders reizt, ist der klassische Aufbau der Episoden, das sogenannte cold open: Die Folge beginnt mit einer ganz alltäglichen Situation - in der dann plötzlich das Übernatürliche passiert - manchmal recht unappetitlich. Und der Vorspann läuft ab und wir erarbeiten uns im Lauf der Episode ein Verständnis dessen, was wir in den ersten fünf Minuten gesehen haben. Ich mag diese Erzähltechnik. Sie verlangt in einigen Folgen dem Zuschauer intellektuell etwas ab, das tut gut. Das ist definitiv keine leichte Kost.

Nach fünf Staffeln hatte man ursprünglich beschlossen, die Serie zu beenden und die weitere Story in Kinofilmen zu erzählen. Und so gab es nach der fünften Staffel tatsächlich den Kinofilm X-Files: Fight The Future, der quasi eine XXL-Episode der Serie war. Der Film muss aber als Meilenstein gesehen werden, denn danach wurde alles anders. Auf einmal war die Serie in aller Munde, viele Menschen hatten den Kinofilm gesehen, jetzt muss man es diesen Menschen auch recht machen! Serve the audience, oder so. Und so wurde die Serie ab Staffel 6 wesentlich massentauglicher, das Budget wurde erhöht, mehr Effekte waren möglich, man verlegte den Drehort vom düsteren Vancouver in's sonnige Kalifornien.

Der Wandel der Serie ist deutlich spürbar gewesen, ich musste damit erstmal zurechtkommen. Das heißt nicht, dass die X-Files schlechter geworden sind - es gibt ganz tolle Episoden in den späteren Staffeln, z.B. John Doe (S9E7), wo es um Gedächtnisverlust geht, oder Triangle (S6E3), eine Folge, die im Bermuda-Dreieck spielt und dort in unterschiedlichen Zeiten, nämlich in der Gegenwart und auf einem deutschen Kreuzfahrtschiff 1939.

Klingt abgefahren? Das ist noch gar nichts. Man kann den Reichtum der Serie nicht in Worte fassen, sie ist das reinste Kuriositätenkabinett. Ich habe mich grandios unterhalten gefühlt und kann die Serie jedem an's Herz legen, der Mystery-Thriller mag und seinen Horizont ein ganzes Stück erweitern möchte. Die Serie ist ein cultural icon, wenn man bedenkt, wie einflussreich sie sich zum Beispiel in der deutschen Hörspiellandschaft gezeigt hat.

Und was mich auch freut: Es geht weiter. Nachdem also jene zehnte Season ein Revival dargestellt hat - mit sechs qualitativ ganz unterschiedlichen Episoden - ist eine elfte Staffel in Produktion, und ich bin sehr gespannt, was es dort zu entdecken gibt.

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