Dienstag, 10. Mai 2016

Lack of Queues

Sag mal, Dr Hilarius, bist Du tot? Mal wieder zwei Tage nichts geschrieben - ist eigentlich völlig undramatisch, signalisiert mir aber, dass es mit meiner Selbstdisziplin momentan etwas hakelt, da gibt's noch Entwicklungspotential.

Es geht mal wieder um Freizeitparks. Das interessiert Euch nicht? Like I care! Das Wetter schreit geradezu danach, sich in das erfrischende Wildwasser zu stürzen und danach mit hundertsiebenundzwanzig Sachen trocken pusten zu lassen. Vielleicht morgen, mal schauen. Heute jedenfalls habe ich in einer alten Ausgabe der Amusement Today gestöbert. Sie veranstalten jährlich die Golden Ticket Awards; das ist für die Freizeitparkszene in etwa so wie die Academy Awards ("Oscars") für Hollywood. Ich verfolge die Preisverleihung immer recht gespannt, mich interessiert, welchen Park die Amerikaner zum Beispiel für den Best Park halten. Das war vierzehn Jahre lang Cedar Point in den USA, ungeschlagen, bis der Europa Park quer über den Teich hinüber bekannt genug geworden ist und 2014 zum besten Freizeitpark weltweit gekürt wurde. Diesen Titel trägt er noch immer, und das zu Recht.

However, mir ist beim Lesen der Schlagzeilen eine Formulierung aufgefallen, ein Qualitätsmerkmal für Freizeitparks: "lack of queues" (/kju:z/) - und ich war verwirrt. Warum ist es ein Zeichen der Qualität eines Freizeitparks, wenn da keine Anstellschlangen sind? So sieht eine klassische queue line aus:

Das ist der Wartebereich der Achterbahn GateKeeper in Cedar Point. Diese Warteschlangen sind doch wunderbar: Hocheffizient können hier viele Menschen auf engem Raum kontrolliert Richtung Bahnhof geleitet werden. Klasse, oder?

Nein.

Es ist effizient, ganz ohne Frage. Und in einem Zeitalter von Acceleration, Neuroenhancement etc., in dem es alles immer schneller laufen muss, mag das angemessen sein, aber schön ist das nicht. Langeweile kommt auf in diesen Metalllabyrinthen. Na, wie oft müssen wir noch hin und her gehen? Nur noch vier mal, dann sind wir im nächsten Umleitungsblock. Große Freizeitparkketten wie Cedar Fair oder Six Flags benutzen diese Methode häufig, auch weil sie kostengünstig ist. Die Alternative ist teurer: Die Warteschlange in die Gesamtthematisierung integrieren.

Keine Metall-Leitlinien, sondern direkt auf das Burggelände, in das Horror-Labor, in die Diamantenmine, in die Kathedrale. Ich bin ein großer Fan umfangreicher Thematisierungen, die den ganzen technischen Schnickschnack verstecken. Dr Hilarius, bring' doch mal ein Beispiel, damit man sich das vorstellen kann! Nehmen wir den Fluch von Novgorod im Hansa-Park. Sollte ich morgen hinfahren, könnte ich ja mal ein Foto nachliefern. Am Wegesrand steht ein Stein mit der Aufschrift "Fluch von Novgorod", man geht durch ein Tor und wandert einen verwitterten Pfad entlang, vorbei an Vogelscheuchen und Krähen, bis man schließlich im Weliky Novgorod landet und weiter durch die Gewölbe geht. Alles hübsch anzuschauen, kein langweiliges hin und her, hinter jeder Ecke erwartet den Besucher ein neuer Anblick.

So wird es auch beim Schwur des Kärnan sein. Zum Glück zieht langsam auch der Heide-Park nach und bastelt spannende Warteschlangen. Das gehört zum Erlebnis dazu, die Sinne sollen schließlich verwöhnt werden. Die Wartezeit soll so angenehm wie möglich gemacht werden. Und da, sorry, finde ich die großen Freizeitparkketten nicht sehr geschickt. Sie haben die größten Achterbahnen, wahre Monster, toll! Aber irgendwie fühlt man sich wie auf einem Fließband, wenn sich immer die Abfolge wiederholt: Warten-hin-her-hin-her-hin-her-JUHU!-Warten-hin-her-hin...

Um den Rückschluss zu ziehen zum Titel des Beitrags: Genau aus diesem Grund, der Immersion in die Themenwelt des Parks, ist es ein sehr positiver Faktor, wenn keine auffälligen Warteschlangen-Konstruktionen sichtbar sind. Es trägt dazu bei, dass man als Besucher ganz neugierig einfach mal in die Höhlenöffnungen reinschaut, einfach mal in die Tür hineingeht, einfach mal schaut, was abseits des Weges liegt.

Freizeitparks können ein richtiges Abenteuer sein - aber nicht, wenn man dabei von metallischer Realität erschlagen wird.

post scriptum: Truth be told - Kärnan hat die Herzfigur. Und als Gerüst hat Gerstlauer da einen Stahlwald kreiert, der sich nicht so leicht verstecken lässt. Aber irgendwie muss ein Hypercoaster ja gestützt werden, und was das wohl kosten würde, wenn man nun auch noch die Stützen aufwändig thematisieren müsste! Es ist eine Gratwanderung zwischen Intensitätsmonster und Darkride-Coaster.

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