Montag, 3. Oktober 2016

Point Whitmark vs. Rocky Beach


Hörspielfans wissen, worum es geht: Wir haben hier zwei unterschiedliche Hörspielreihen und ich gebe nun meine Meinung ab, welche der beiden mir besser gefällt und woran das liegt.

Ich bin mit den Drei ??? aufgewachsen. Ich habe die Originalfolgen von Robert Arthur "miterlebt" und war hellauf begeistert von den Rätseln, z.B. in der geheimnisvollen Erbschaft oder dem seltsamen Wecker. Dazu sei allerdings gesagt: Vor den Hörspielen hatte ich die Bücher gelesen und die sind nochmal eine Spur besser, da einige bereichernde Momente für das Hörspiel gestrichen wurden - damit es auf die gute alte Musikkassette mit 2x20 oder 2x25 Minuten passte.

Dennoch gefielen mir auch die Hörspiele sehr gut. Die Musik war spannend, die Erzähler teilweise sensationell. Und es wurde mit viel Liebe zum Detail gearbeitet: Hintergrundgeräusche, sei es nun die Kreisäge auf dem Hof des Schrottplatzes oder der Verkehr in Los Angeles, wurden so intensiv und dennoch nicht störend eingesetzt, dass ich das Gefühl hatte, die Geschichte direkt mitzuerleben.

Mittlerweile ist die hundertachtzigste Folge geknackt und ich bin noch maximal mit einem Viertel Herz bei der Sache. Es ist unglaublich schwierig, nach so vielen Episoden Neues zu finden. Dazu kommt - in meiner Wahrnehmung -, dass die Episoden oft künstlich in die Länge gezogen werden, um das Medium CD mit seinen achtzig Minuten Spielzeit auszureizen. Das wäre an sich in Ordnung, wenn es dabei nicht so oft nur um Gerede ginge. A little less conversation, a little more action, please! Das denke ich mir dabei so manches Mal, wenn die Detektive wieder minutenlang miteinander reden und kaum etwas dabei rumkommt. Hinzu kommt, dass die Hintergrundgeräusche nicht mehr so reichhaltig eingesetzt werden wie in den Folgen 1-29. Dadurch wirken einige Szenen steril - oder schlichtweg langweilig.

So wurde es für mich Zeit, mal eine der bekanntesten Konkurrenzserien anzuhören: Point Whitmark (PW), aus Volker Sassenbergs Ideenschmiede, die auch die qualitativ hochwertige Serie Gabriel Burns zu verantworten hat. Doch nun zu PW:

Beginnen wir mit den Parallelen zu den Drei ???, die schamlos direkt transportiert werden. Es spielt in Amerika - wenngleich an der Ostküste - wir haben drei Jugendliche, die in mysteriösen Fällen ermitteln (hier allerdings nicht mit ihrer eigenen Detektei, sondern dem eigenen lokalen Radiosender in einem alten Leuchtturm), wir haben angebliche Spukerscheinungen. Dreist abgekupfert, möchte man direkt denken. Ist ja auch so. Und man dürfte sich unbeherrscht darüber aufregen, wenn man nicht feststellen müsste: PW macht das Ganze seit einiger Zeit deutlich überzeugender als die Drei ???.

Die derzeit vierzig Episoden leben von ihren skurillen Figuren (man ist sich für nichts zu schade und erhebt nichtmal den Anspruch von Plausibilität), die den Hörer zu unterhalten wissen. Einige Szenen sind in der Tat beeindruckend dramatisch gelungen. Durch die Sprechweise der Figuren wird ein stärker amerikanisches Feeling transportiert. Und wo gerade das Stichwort Plausibilität fiel: Die Geschichten sind zum größten Teil derart an den Haaren herbeigezogen, dass sich der eine oder andere konservative Hörer abgeschreckt fühlt.

Doch wo ist das Problem? Brauche ich Plausibilität und Normalität, dann gehe ich zum Supermarkt und kaufe drei Kilo Hack. Ich möchte unterhalten werden - und auf eine oberflächlich betrachtet trashige und dennoch qualitativ enorm hochwertige Weise erreicht die Serie genau das. Und dabei leistet sie noch ein wenig mehr als die Drei ???: Sie verführt zum Schmunzeln, ein Humor, den man im Englischen als "tongue in cheek" bezeichnet. Paradebeispiel dafür ist die Episode Das Feld am Krähenhaus, die eine herrliche Hommage an die Filme Alfred Hitchcocks darstellt. Für den Kenner ist es ein Genuss, all die kleinen und großen Anspielungen auf weit mehr als nur Psycho zu entdecken.

Ich würde mir wünschen, dass bald wieder eine neue Folge PW erscheint - aber ich bin gern bereit zu warten; lieber ein paar Folgen weniger als Fließband- und leider ab und an auch Ausschussware bei einer Serie, die im Bereich der Massenproduktion angekommen ist.

Damit das hier aber nicht falsch rüberkommt: Ich höre die Abenteuer von Justus, Peter und Bob immer noch sehr gern. Ich bin eben mit diesen Hörspielen aufgewachsen.

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