Dr Hilarius und Mr Beka |
vorweg: Name geändert.
Hey Mr Beka,
erinnerst Du dich noch an mich? Es ist jetzt genau zehn Jahre her, dass ich Dich besucht habe. Ich fand Dich immer irgendwie cool, und wollte wissen, wer sich hinter dem Avatar bei Eve&Rave verbirgt. Wer der Typ hinter dem Pop Art-"Dude, WTF?"-Lächeln ist. Und wir haben uns hin und her geschrieben, hier und da mal über Skype telefoniert, und Du wusstest, dass ich ein bisschen in Dich verknallt war. Alles kein Problem! Und Du hast meine Erfahrungen mit der Substanz K akzeptiert. Deine Offenheit hat mich beeindruckt. Mittlerweile weiß ich, warum ich eigentlich nie zu unbekannten Menschen gefahren bin, gerade wenn sie auch noch einige hundert Kilometer entfernt wohnen; trotzdem bin ich in den Zug zu Dir gestiegen.
Die Zeit, die wir bei Dir verbracht haben, war ein Auf und Ab - ich werde nicht vergessen, wie schön es war, zusammen auf Deinem Bett rumzuhängen, bisschen zu kuscheln, das Suchtpräventionsvideo für die Schüler aufzunehmen, mit Deiner Ma zu reden, aber ich werde auch nicht vergessen, wie ich Dich zur Substi begleitet habe, die Platte, die Straßenbahn, wie ich heulend bei Dir zusammengebrochen bin, weil die Erkenntnis zu viel für mich war, dass Dein Leben tatsächlich seit dem einen Schuss Heroin dermaßen den Bach runter gegangen ist. Das hat mir die Augen geöffnet, aber es war ein herber Absturz an dem Tag. Manisch-depressiv, wir beide haben das an dem Tag verkörpert. Das ist übrigens der Grund, warum mir Bromazepam im Kopf hängen geblieben ist: Es hat mir damals bei der Panikattacke extrem geholfen, und deswegen sollte ich mir irgendwann vom Arzt endlich was verschreiben lassen, denn solche Panikattacken gibt es immer wieder mal.
Und dann, nach diesem Besuch, ist der Kontakt in die Brüche gegangen. Ich sollte ehrlich sein: Ich habe den Kontakt abgebrochen, und das ist nicht schön gelaufen, und Du hast auch Dir deswegen Vorwürfe gemacht. Ich hatte damals einfach nur so etwas gesagt wie "Ich kann damit nicht umgehen, dass dein Leben eine Achterbahn ist, ein Tag toll, ein Tag am Abgrund". Erst viele Jahre später habe ich herausgefunden, wo genau das Problem für mich lag - und liegt. Ich möchte es Dir hier erklären, damit Du nicht denkst, es sei Deine Schuld, dass wir keinen Kontakt mehr haben. Das ist es nicht. Du kannst absolut nichts dafür.
Ich wusste damals nicht, was es genau bedeutet, wenn man eine bipolare Persönlichkeitsstörung hat. Ich habe es erlebt, in den Chats mit Dir, bei'm Skypen und auch als ich Dich besucht habe, aber ich wusste nicht, dass das eine psychische Erkrankung ist. Ich konnte damit nicht umgehen, weil ich weder wusste, was die Ursache für Deine Stimmungsumschwünge war, noch wusste ich, wie ich damit umgehen und in den jeweiligen Situationen reagieren soll.
Du bist unberechenbar (bin ich offensichtlich auch, wie man mir mittlerweile gesagt hat) - und ich bin Asperger-Autist. Ich kann mit Unberechenbarem nicht umgehen, sei es das Wetter, der Stundenplan, das Telefon oder eben menschliches Verhalten, also versuche ich das alles zu vermeiden, so weit es geht. Den Kontakt mit Dir abzubrechen war eine Schutzfunktion, denn ich wollte uns beide nicht noch weiter verletzen. Ich hatte damals keinen Weg gesehen, wie es gut mit uns beiden hätte weitergehen können.
Das war total scheiße, denn Du warst so nett, und ich hatte noch nie von mir aus bewusst den Kontakt zu jemandem abgebrochen. Das war eine absolut miese Phase, aber vielleicht besser für uns beide. Einfach, weil unsere Gehirn-Konfigurationen nicht gut gepasst haben. Du kannst nichts dafür.
Ich erinnere mich noch sehr gut an Deine panische Nachricht eines Morgens, als Du einen lokalen Bäcker und die Apotheke überfallen hast, um an Geld und Benzos zu kommen. Ich erinnere mich genau an den Artikel darüber in Eurer Lokalzeitung, den Du mir am nächsten Tag gezeigt hast. Ich hoffe, dass Du einen Weg für Dich im Leben gefunden hast. Du warst, vielleicht ohne dass Du es wusstest, einer der wichtigen Menschen in meinem Leben.
Danke, dass Du für mich da warst.
Dr Hilarius
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