Montag, 3. Juni 2019

Schattenseiten

Lernbegleiter der Schüler, schön und gut, aber nicht mehr so schön, wenn man schließlich den Strick knüpfen muss...

Schön wäre es gewesen, hätte ich Schattensaiten mit einem a schreiben können, denn dann würde ich Euch jetzt von einer kleinen originellen Hörspielserie erzählen, die als Uni-Projekt begonnen hat und einen großen Handlungsbogen über neun Teile erstreckt, ein Hauch Studenten, ein Hauch Fantasy, und ich könnte schmunzeln, wenn ich all' das schriebe. Aber es muss auch mal anders gehen.

Ich liebe die Arbeit mit Schülern, ich finde es ganz toll, wenn ich den Eindruck bekomme, dass Schüler sich weiterentwickeln und dass mein Unterricht nicht umsonst war. Es gibt Schulen, die nennen das Konzept Unser Ziel - Ihr Lernerfolg, und damit kann ich vollkommen mitgehen. Ich habe irgendwann im Referendariat gemerkt, dass ich eine Unterrichtsstunde dann für erfolgreich erachte, wenn die Schüler reicher aus dem Unterricht hinausgehen, als sie hereingekommen sind. Das passiert oft, und das macht mich glücklich.

Einer dieser Instanzen werde ich in Bälde erleben, denn ich bin von meiner damaligen Englischklasse an der Nordseeschule in St.Peter-Ording zum Abiball eingeladen worden. Nun könnte ich sagen, okay, ich mag ja nicht solche vollen Veranstaltungen, und außerdem ist ausgerechnet an dem Abend die Lost Souls in Kiel. Das kann ich aber alles beruhigt beiseite wischen, denn ich will unbedingt meine Schüler von damals wiedersehen - von der Schule, die den wohl wichtigsten Wendepunkt in meiner Laufbahn markiert hat. Ich möchte sehen, wie groß sie geworden sind. Ich möchte ihnen zum bestandenen Abitur gratulieren und ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. Und ich möchte eine Freundin aus dem Studium wiedersehen, die dort unterrichtet.

Allerdings kann es durchaus sein, dass etwas weniger Schüler das Abi erreicht haben, als damals in die Klasse gegangen sind. Das bringt mich zu den Schattenseiten des Lehrerdaseins - nämlich Schülern mitzuteilen, dass ihre Leistungen nicht ausreichend sind. In Klausuren ist das nicht so schwer; da muss ich nicht (unbedingt) von Angesicht zu Angesicht mit den Schülern reden, ich kann da eine Fünf oder Sechs drunter schreiben und die Sache ist erledigt. Und ich habe mich langsam auch ein bisschen daran gewöhnt, mal eine Fünf im Zeugnis zu geben, oder eine Sechs, falls nötig. Es gibt ja immer diese wunderbare Chance für Schüler, Noten auszugleichen.

Aber was ist, wenn das nicht möglich ist? Was ist, wenn von Deiner Note abhängt, ob der Prüfling einen Schulabschluss schafft oder nicht? Mir geht das durch Mark und Bein, und belastet mich. Ich habe genau diesen Fall vor einigen Jahren an einer meiner ersten Schulen erlebt, als ich quasi die Schullaufbahn eines Kandidaten abgebrochen habe.

Das ist ein grausames Gefühl. Da kann ich mir noch so oft sagen, naja, es lag ja am Schüler, und nicht an meiner Vorbereitung, aber alles Rechtfertigen hilft nichts, es ist ein saures Gefühl. Ein Kollege hat es ganz treffend formuliert: Solche Prüfungsergebnisse sind ja in der Regel nicht vollkommen überraschend, da sind im Lauf der Schuljahre schon einige Dinge schiefgegangen, aber es ist mies, wenn man den Gnadenstoß versetzen muss. Wenn man das Ende einer Kette von nicht ausreichenden Leistungen darstellt.

Ein Horror, und wie schlimm ist es dann erst, wenn man es dem Prüfling in's Gesicht sagen muss? "Es tut mir leid, Detlef-Telse, aber die Leistungen in meinem Fach waren nicht mehr ausreichend. Und du weißt, dass du damit in diesem Durchgang keinen Abschluss erreicht hast."

Mag ja sein, dass es Lehrer gibt, die gern schlechte Noten geben oder Schüler niedermachen, oder aber einfach kein Problem damit haben, aber so abgebrüht bin ich dann doch nicht.

Kennt Ihr das Gefühl?

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