Samstag, 11. Februar 2017

Eindrucksvoll gemeuchelt (FSK 18)


Eine Warnung: In diesem Beitrag werden zwei berüchtigte Filmszenen rezensiert, in denen Menschen ermordet werden. Während die erste Szene nach heutigen Maßstäben einigermaßen gut zu verdauen ist, dürfte die zweite Szene auch für manch' einen modernen Zuschauer etwas zu intensiv sein. Anschauen auf eigene Gefahr! Das Lesen des Textes wird aber in jedem Fall empfohlen, denn hier geht es um beeindruckende Filmtechniken ;-)

Vorweg entschuldige ich mich für den Titel, der arg nach clickbait klingt, aber es soll hier genau darum gehen: Wie kann man in seinem Thriller die Darsteller möglichst beeindruckend aus dem Leben scheiden lassen? Spannend und so, dass die Szene im Kopf des Zuschauers möglichst lange nachwirkt? Ich habe zwei Filmszenen ausgesucht, die man wahrscheinlich nicht so schnell vergisst, wenn man sie erst einmal gesehen hat.

Und... sie sind unerwartet blutleer. Hier fliegen keine Gedärme durch die Gegend (und trotzdem sind sie finger-snippin' good!), hier braucht man nicht literweise Blut; kein Wunder, denn als Filmzuschauer wird man ziemlich schnell dagegen abgehärtet. Bei der ersten Enthauptung und ein paar abgerissenen Armen und aufgefressenen Eingeweiden (lang leben die Zombie-Kühe! Muuuuuuuuhhhhhh!) kotzen wir uns noch die Seele aus dem Leib, aber dann haben wir uns auf das Spektakel eingestellt und der Rest ist einfach Fließbandabschlachtung, die wir schneller vergessen als den Titel des Films. Was also hat Alfred Hitchcock in seinem Psycho (1960) erfrischend abgeduscht anders gemacht, wie hat uns Tony Maylam in The Burning (1981) auf einem Floß planschend das Fürchten gelehrt?

Zunächst Hitchcock:


Diese Szene ist legendär, und das aus so vielen verschiedenen Gründen. Sie spielt etwa vierzig Minuten nach Filmbeginn, der Zuschauer hatte mittlerweile viel Zeit, sich mit der Heldin zu identifizieren. Er kennt ihre Gewissensbisse, aufgrund ihres Diebstahls, ihres Fremdgehens, er kennt ihre Menschlichkeit, er möchte, dass sie irgendwie eine Wandlung erfährt - aber nicht so. Das war damals völlig unerwartet: Hitchcock lässt seine Protagonistin sterben und lenkt damit den Fokus der Aufmerksamkeit um auf Norman Bates und, wohl noch wichtiger, auf dessen Mutter, unter deren Fittiche er seit Jahrzehnten steht und für die er alles tut - sogar die Spuren dieses Mordes beseitigen. Also allein vom Spannungsbogen des Films ist diese Szene beeindruckend und schockierend.

Die Musik trifft einen Nerv, gerade dadurch, dass sie zu Beginn der Dusche völlig verstummt. Das Publikum hört das rauschende Wasser, dann plötzlich die extrem dissonanten, hohen Streichertöne und der rapide geschnittene Mord, schließlich mit Blick auf die Leiche die tiefen Töne, es ist vollbracht.

Jene schnellen Kameraschnitte haben einen enormen Einfluss geübt auf das sich von da an ausbreitende Slasher-Genre. Das Drehen dieser Szene allein hat Wochen gedauert. Und es hat sich gelohnt: Gerade durch das perfektionistische Bild- und Sounddesign wirkt der Mord deutlich brutaler, als er eigentlich gezeigt wird. An keiner Stelle sieht man, wie die Klinge in den Körper sticht oder die Haut auch nur ritzt, auch dem Blut wird durch das Schwarzweißbild der Schrecken genommen. Dennoch ist diese Szene ein Lehrstück in Sachen Suspense und sie untermauert Hitchcocks Zitat:

"I like to play the audience like a piano."

Und nun zum zweiten Film, The Burning, und der berüchtigten Floß-Szene (Warnung: Hier wird es ein wenig grafischer):

Eine der auffälligsten Ähnlichkeiten zur Hitchcock-Szene ist der langsame, ruhige Aufbau und die rapide Abfolge der Mordschnitte. Von knapp vier Minuten, die diese Szene andauert, nimmt der Mord nur etwa zwanzig Sekunden ein. Die ersten drei Minuten kann jeder noch so zart besaitete Zuschauer in aller Ruhe genießen. Erst bei 2:50 beginnt die unheimliche Musik, wird dann bei 3:00 intensiver und dann geht alles ratzfatz: Cropsy erhebt sich, die Schere in den Händen und es gibt Teenager-Geschnetzeltes. Wobei, das klingt schlimmer als es ist: Wir sehen, wie die Schere einen Hals trifft, eine Stirn aufschlitzt und ein paar Finger, die durch die Luft fliegen, alles inklusive etwas von dem roten Saft, nach dem es die Gorehounds so dürstet. Aber insgesamt gilt, wie auch bei Psycho, dass die Szene wesentlich brutaler wirkt als das, was man genau genommen sieht. Es sind die schnellen Schnitte, die Schreie, die Musik und der Überraschungseffekt, die hier ihre Wirkung entfalten.

Make no mistake: Die Szene ist vollkommen unrealistisch. Dass Cropsy innerhalb von Sekunden aus der liegenden in die aufrechte Position wechselt, die Gartenschere hoch erhoben, ohne auch nur ansatzweise das Gleichgewicht zu verlieren, ist komplett hanebüchen. Aber darum geht es hier nicht, Realismus hätte den impact dieser Szene zerstört. Wir, die wir diesen Film sehen, kennen Horrorfilme und rechnen fest damit, dass im Kanu eine übel zugerichtete Leiche liegt. Solche Szenen haben wir schon zuhauf erlebt. Dass allerdings das Massaker erst noch kommt, zieht uns den Boden unter den Füßen weg, und dass in rapider Abfolge mehrere Jugendliche in weniger als zwanzig Sekunden abgeschlachtet werden, das wirkt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Filmen liegt darin, dass Psycho insgesamt ein Meisterwerk ist, The Burning ganz betrachtet allerdings ein ziemlich durchschnittlicher Slasher. Allerdings ist es häufig so, gerade bei den Horrorfilmen der Siebziger und Achtziger, dass in den durchschnittlichen oder schwächeren Filmen sich das eine oder andere brillant abgedrehte set piece findet und ich denke, dass ich hier im Blog hin und wieder ein paar davon besprechen werde.

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