Alas, I knew him well... |
Es war einst in einem anderen Land, weit vor unserer Zeit, als einfach jeder Mensch glücklich war. Männer und Frauen waren glücklich, Kinder und Alte waren glücklich, Schwule und Lesben waren glücklich, Behinderte waren glücklich, Gesunde und sogar Kranke waren glücklich. Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie lebten unter der Herrschaft der Schokoberliner.
Seitdem zum ersten Mal ein Mensch in dieses frittierte Wunder gebissen hat und den unbeschreiblichen Segen der Nuss-Nougat-Füllung erlebt hat, ging es mit diesem Land nur noch bergauf. Innerhalb von Minuten konnte ein Schokoberliner jeden Menschen zum Lächeln bringen, zum verträumten Seufzen, zum Strahlen oder dazu, dass sich seine Zähne im Mund auflösen.
Die Schokoberliner hatten unter sich einen zu ihrem Herrscher auserkoren, der war noch praller und runder als sie, und war von allen Seiten glasiert und mit Zuckerstreuseln bedeckt. Er war bis zum Rand mit Nougatcreme gefüllt, so dass diese schon fast zum Füllloch herausplatzte. Ehrfurchtsvoll wurde er von den Menschen "Schoko-Zuckerschock-Bombe" genannt, kurz SZB. Es ging der Mythos, dass wer auch immer in SZB beißt, sofort durch den death by chocolate sein Leben verliert. Kein Sterblicher würde je die zweihundert Milliarden Kalorien überleben, die nur ein einziger Bissen von SZB enthielt.
Die Menschen verehrten und fürchteten also die Schokoberliner. Sie wurden allesamt glücklich, und sie wurden allesamt fett und träge. Denn sie hatten nicht bemerkt, dass die gerissenen Schokoberliner irgendwann ganz von allein in ihren Rachen rollten. Kein Mensch musste mehr zum Bäcker gehen, die kleinen Schokoklopse rollten durch jede noch so kleine Nische, jeden noch so schmalen Geldbeutel und jede noch so sorgfältig geplante Diät weiterhin direkt in den Magen und in das Herz der Bürger.
Ja, die Bürger waren allesamt glücklich. Und fett. Aber sie waren nicht frei - sie hatten sich von den Schokoberlinern vollkommen abhängig gemacht, und niemand bemerkte es, sie alle wurden weiter randvoll mit Nougatcreme gestopft. Kaum ein Mensch konnte sich noch bewegen, und noch immer rollten die kleinen Monster durch jede Bäckerei des Landes, und sie schienen sich wie die Heuschrecken über das Land zu ergießen, wenn die Weihnachtszeit kam.
Doch dieses Weihnachten sollte alles anders kommen. In einem nicht näher bekannten Ort stand ein großer kleiner Mann auf, mit einem krummen Finger und ganz in schwarz gekleidet, und rief seinen Mitmenschen zu: "Nennt ihr das etwa Glücklichsein? Vollstopfen und dann selig grinsend in ein Fresskoma fallen? Wie könnt ihr nur so leben!" Doch niemand nahm ihn ernst, denn während er diese Worte sprach, pulte er mit seinem Finger noch bunte Zuckerperlen zwischen seinen Zähnen hervor, und in seiner rechten Hand hielt er einen Sack, aus dem geschmolzene Nougatcreme tropfte.
"Ja", rief er, "auch ich hatte einst kapituliert vor der Übermacht der SZB, aber ich werde mein Leben wieder in meine eigene Hand nehmen!" Entschlossen holte er einen Schokoberliner aus dem Sack und biss hinein. Es dauert keine zehn Sekunden, bis sich sein Gesicht in ein seliges Lächeln wandelte. "Verräter, du bist doch auch nicht besser als wir!" schallte es ihm aus den Häusern entgegen... doch dann warf der schwarze Mann den Rest des Berliners auf den Boden und stampfte mit seinem überdimensionierten Kindersarg-Stiefel darauf.
"Schaut! Es ist möglich, sich zu wehren - ich habe es gerade eben geschafft! Man kann NEIN sagen - und ich werde euch dabei helfen, indem ich eine Bäckerei öffne, die ab Februar keine Schokoberliner mehr führen wird. Nur so können wir uns vom Nutella-Joch befreien."
"Das sagst du so leicht, das ist ja ein schöner Plan für die Zukunft, aber es liegen noch tonnenweise Schokoberliner in unseren Häusern herum, viele davon schon auf dem Weg in unseren..." - mehr konnte er nicht sagen, da sich ein weiterer Schokoboller von selbst in seinen Mund gestopft hatte.
"Ich werde einen Weg finden, diese Abermillionen von tollwütigen Schokoberlinern zu vernichten! Habt ihr von dem Gerücht gehört, dass es irgendwo in einem verborgenen Tal eine große Buba geben soll, wie ein Trichter, in den die Berliner rollen, ohne dass jene Buba jemals platzte? Niemand hat je einen Beweis dieses Wesens gesehen, aber in den Geschichtsbüchern ist von einer Frau die Rede, die einsam den Kampf gegen eine Sturzflut aus Zimtsternen geschlagen haben soll. Wenn dies die Buba ist, dann werde ich sie finden und unsere Welt retten!"
Fortsetzung folgt ausnahmsweise mal nicht; ich habe diesen Beitrag vor knapp einem Jahr geschrieben und unveröffentlicht gelassen. Es kam einfach kein kreativer Funke auf, ihn fertigzuschreiben. Anlass war die Ankündigung der Bäckerei unten an der Kreuzung, dass Schokoberliner ab Februar nicht mehr im Sortiment sind - zum Glück! Die Teile sind absolut gnadenlos schlonzig, und das musste ich einfach literarisch verarbeiten.
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