Donnerstag, 1. September 2016

Aufgeschlagen


Damals bei unserem Bunten Abend des Abiturjahrgangs - also gewissermaßen in der Steinzeit - haben wir unter Anderem einen Sketch über unseren Geschichtslehrer gebracht. Teil des Sketches war seine Angewohnheit, während des Unterrichts durch den Klassenraum zu gehen und hier und da die Unterrichtsmaterialien der Schüler auf deren Arbeitsplatz umzusortieren. Es musste bitte alles parallel gelegt werden, es waren nur 90°-Winkel erlaubt. Wir haben uns scheckig gelacht, wann immer er das machte. "Der bekommt das überhaupt nicht mit", kicherten wir damals.

Woher hätten wir auch wissen sollen, dass es so einen Tick tatsächlich gibt, und dass er vollkommen in Ordnung ist - nein, jetzt mal Butter bei die Fische: Woher hätte ich wissen sollen, dass ich irgendwann auch diese Ausprägung zeige? Ich ordne die Dinge auf meinem Schreibtisch und auf dem Couchtisch gern nach mathematischen Prinzipien an. Wenn etwas schief liegt, macht mich das nervös. Ich spüre dann den Drang, es geradezurichten.

Heute habe ich meinen Hausarzt besucht. Szene Wartezimmer (Multikulturalismus macht sich bemerkbar, und es ist TOLL!!! Es lebe die Vielfalt!), Zeitschriften liegen auf kleinen Stapeln, ich schiebe sie etwas zurecht, damit sie gerade liegen und ich nicht ständig auf dieses Chaos schauen muss. Eine Patientin wartet draußen. Sie wird aufgerufen und wirft ihre Zeitschrift aufgeschlagen quer auf den Tisch.

Der aufmerksame Leser kann sich denken, wie sich das für mich angefühlt haben muss. Aber diesmal hat das nichts mit Hochbegabung zu tun, wie mir scheint - der Rechte-Winkel-Sinn kann jeden treffen. Und so widme ich mich jetzt mal meinem Würfelhusten.

post scriptum: Herr Hermann, sollten Sie das je lesen - ich habe Ihnen so viel zu verdanken, Sie haben einem Geschichte-Acht-Punkte-Schüler eine mündliche Abiturprüfung mit fünfzehn Punkten eingebracht, das sagt sehr viel über Ihre Lehrereignung aus!

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