Freitag, 14. März 2025

Ostufer


So, die erste Schulwoche nach der Krankschreibung ist um. Das Prednisolon tut seinen Dienst, mit ein paar Aussetzern zwischendurch geht es mir doch deutlich besser, so gut, dass ich mich heute an's Schreiben mache. 

Vor etwa zwanzig Jahren hat die Tante mir einen Tipp gegeben: "Wenn Du mit der U-Bahn und S-Bahn fährst, nimm' Dir mal eine halbe Stunde und steig' in Neukölln aus. Geh' die Karl-Marx-Straße rauf und runter, da kannst Du mal eine Brise echtes Leben erleben."

Neukölln ist für Berlin in etwa das, was Gaarden für Kiel ist. Ein Stadtteil, in dem viele sozial abgehängte Menschen leben, viele mit Migrationshintergrund und seit Merkel auch sehr viele Flüchtlinge. Das betrifft in Kiel aber nicht nur Gaarden, sondern auch Ellerbek und Wellingdorf. Es ist doch ein deutlicher Unterschied zwischen dem "Sozialniveau" des Ost- und Westufers. Am Westufer wird Kiel zur Studentenstadt (ja, auch an der Fachhochschule am Ostufer), da gibt es gehobene Stadtteile wie den Blücherplatz, das habe ich zehn Jahre lang erlebt.

Jetzt arbeite ich an einer Perspektivschule mit dem Schulsozialindex 9 (whatever). Ich gehe quasi die Karl-Marx-Straße in Berlin entlang. Ich erlebe eine andere Seite unserer Gesellschaft und ich finde es toll, denn es fühlt sich an, als könnte ich da etwas bewirken. Es tut so gut, wieder in der Schule zu sein! Und zu helfen. Das ist Pädagogik pur, könnte man sagen. Es schlaucht, und es macht glücklich. Es ist nicht jeder Lehrkraft Traum, aber die Nordseeschule in St.Peter-Ording hat mir gezeigt, dass das was für mich ist.

Ich frage mich, ob die sozialen Unterschiede zwischen dem Kieler West- und Ostufer irgendwann aufgehoben werden können, und sei es nur teilweise. Oder ob die Kluft, im Gegenteil, sich weiter vertiefen wird.

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