Samstag, 15. März 2025

Der Duft Kiels


Diese Busfahrt hat tatsächlich so stattgefunden - sonst wäre ich wohl kaum auf die Idee für diesen Beitrag gekommen. Autisten haben es ja nicht so damit, sich Sachen vorzustellen, die sie nicht kennen.

Ich stehe also am Ende meines Schultages an der Bushaltestelle Kieler Kuhle, wie immer, und warte auf die Elf oder die Vierzehn Richtung Hummelwiese. Hier stehen oft auch meine SchülerInnen, und hin und wieder treffe ich hier jemanden aus dem Kollegium. Heute nicht, und deswegen wird es wieder eine Busfahrt werden, während der ich mich in meinen eigenen Kopf verkrieche, um sicher vor den vielen Fahrgästen zu sein.

Und da vorne kommt sie auch schon, das herrliche Elektrogeräusch, der weiße Bus Richtung Wik Kanal. Er ist etwas voller, denn es ist für viele Menschen hier Schulschluss. Ich gehe rein, setze mich schnell irgendwo hin und hole mein Rätselheft heraus. Alles wird ausgeblendet. Wobei... fast alles. Was ich nicht ausblenden kann, sondern sehr intensiv wahrnehme, ist eine Duftwolke - Deo extrem. Kein Wunder, der Bus kommt gerade von unserem oberen Schulteil und bringt viele Neunt- und ZehntklässlerInnen mit sich. Der süßlich-herbe Duft erschlägt mich fast, aber das Heft hilft zum Ablenken. 

Für einige Haltestellen geht es gut - aber dann halten wir, wie immer, am Karlstal. Viele steigen aus, viele steigen ein, und die, die einsteigen, bringen diverse Alkoholfahnen mit sich - whatever, es ist ja schon dreizehn Uhr. Ich bemerke, dass mir dann doch der Deogeruch lieber war, ich fühle mich, als ob ich allein vom Alkoholgeruch besoffen würde. Durchhalten, die steigen alle irgendwann wieder aus, und bis dahin gibt es ja den Zustand der olfactory satisfaction, in dem die Nase sich an den Geruch gewöhnt hat und ihn nicht mehr wahrnimmt.

Aber Abwechslung ist unterwegs: Ich fahre doch noch bis zum Hauptbahnhof weiter, um im Sophienhof Essen einzukaufen. Ich steige aus der Schnaps-Elf, endlich frische Luft, und gehe durch die verschiedenen Bussteige Richtung Edeka, und auf einmal haut mich eine Cannabiswolke fast um. Ja, das Gras wurde freigegeben, und das ist auch gut so, aber wir sind noch weit entfernt von einem akzeptablen Zustand aufgrund der zahllosen, deutsch-typischen Regularien. Ich kann mich bis heute nicht an den Geruch vom Gras gewöhnen, einer der Gründe, warum ich kein Cannabis mag.

Das ganze Erlebnis erinnert ein bisschen an Grenouille aus Patrick Süskinds Das Parfüm, falls Ihr es kennt. Ich fand es gleichzeitig anstrengend und faszinierend, und es hat mich an die Zeit im Studium erinnert, als es hieß, ich trage immer eine Wolke von Räucherstäbchen mit mir herum. Hoffentlich waren das wenigstens angenehme Düfte ;-)

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